Der „Prinz-Ernst-Stollen“, die andere „Prinzenhöhle“

 

Sein Name war Ernst. Gemeinsam mit seinem Bruder Albrecht wurde er in der Nacht vom 7. zum 8. Juli 1455 aus dem Schloss Altenburg entführt. Sie waren die Söhne des Kurfürsten Friedrich II. und dessen Gattin Margaretha. Beide Brüder wurden als Prinzen geboren. Ernst, der Ältere der beiden Prinzen, wurde nach dem Tod seines ältesten Bruders Friedrich 1451 Kurprinz. Die Entführung war ein Resultat der nicht gewährten, berechtigten Forderungen des Kunz von Kaufungen gegenüber dem Kurfürsten.

Kurprinz Ernst wurde am 24. März 1441 in Meißen geboren. Von 1464 bis 1486 war er Kurfürst von Sachsen. Ernst starb am 26. August 1486 bei Colditz Während der Jagd stürzte er vom Pferd. Ernst war der Stammvater der ernestinischen Linie des Hauses Wettin. Sein Bruder Albrecht wurde der Stammvater der albertinischen Linie des Hauses Wettin. Die Brüder teilten 1485 die Wettiner Lande unter sich auf. Diese Teilung ging als Leipziger Teilung in die Geschichte ein.

Zum „Altenburger“ oder „Sächsischen Prinzenraub“ ist im Laufe der letzten Jahrhunderte viel geschrieben wurden. „Viel geschrieben“ trifft aber vorrangig auf die Zeit nach der sogenannten „Wiederentdeckung der Prinzenhöhle“ zu. Bis dahin findet man bei den Chronisten der damaligen Zeit eher wenige Hinweise, speziell zu den Fakten in unserem Territorium.

Wer die Geschichte des Prinzenraubes und die des Kunz von Kaufung im historischen Zusammenhang der damaligen Zeit kennen und verstehen lernen will, muss zwingend das Buch „Der sächsische Prinzenraub“ von Regina Röhner lesen. Der kritische und historisch interessierte Leser muss aber nicht allen Details in diesem Buch zustimmen. Besonders die Passagen, die schriftstellerische Freiräume gestatten, geben Anlass zum Hinterfragen und Nachforschungen anzustellen. Sowohl bei Regina Röhner, als auch bei anderen Chronisten und Heimatforschern, die sich mit dem Thema „Prinzenhöhle“ befassten, kann man durch den festgelegten Standort des Verstecks eine gewisse Erklärungsnot feststellen.

Ich habe die „Prinzenhöhle“ gefunden!

Seit dieser Aussage des Diakon Käufler befindet sich die „Prinzenhöhle“ als bisher unangefochtene Tatsache im Hartensteiner Forst. Man kann dem Herrn Diakon Käufler nicht unterstellen, dass er bei seiner Aussage nach einem Grundsatz des Autors Dieter Wildt handelte: „Rufen sie kühne Behauptungen in die Welt. Solange keiner widerspricht gelten sie als wahr“.

Widmen wir nun dem „Wiederentdecker der Prinzenhöhle“ eine Kurzbiographie.

Johann Friedrich Käufler wurde am 06.12.1733 in Glauchau geboren. Er heiratete am 09.06.1774 in Glauchau die Johanna Friederike Charlotte Stockhardt. Aus dieser Ehe sind drei Kinder bekannt. Die wichtigsten Stationen seiner Tätigkeit waren:

  • 1772 bis 1777 Baccalaurius und dritter College an der Stadtschule zu Glauchau
  • 1777 bis 1786 Diaconus zu Hartenstein
  • ab 1786 Diaconus zu Lößnitz

Johann Friedrich Käufler starb am 13.04.1816 in Lößnitz am Schlagfluß.

Im Lößnitzer Kirchenbuch finden wir zu seiner Person u. a. folgende Aussage:
„Er war ein Wunder der Gesundheit bis vier Tage vor seinem Tode und verwaltete sein Amt bis dahin mit besonderer Munterheit und Betriebsamkeit. Er hatte einen gewissen Gleichmut, sodass ihn weder Freude noch Leid angriff.“

Was war nun der Anlass, dass Diakon Käufler, ein Jahr nach Beginn seiner Tätigkeit in Hartenstein, die Suche nach der „Prinzenhöhle“ aufnahm?

Wenn wir den Überlieferungen glauben können, das sollten wir in diesem Fall unbedingt, so war die bevorstehende Hochzeit einer schönburgischen Prinzessin die Ursache der Suche.

Das Auffinden des Stollens im Jahre 1778 war somit auch eine Hochzeitsgabe an die Schönburger. In der Zeit bis zur Hochzeit wurde von der Herrschaft ein begehbarer Weg zur „Prinzenhöhle“ angelegt. Ob an seinem Verlauf auch Ruhebänke standen ist unwichtig. Um im steil ansteigenden, unwegsamen Gelände zur „Prinzenhöhle“ zu gelangen, musste ein Teilstück des Weges serpentinenartig angelegt werden.

Die wichtigsten Personen dieser Hochzeit, die Eltern der Braut und das Brautpaar, wollen wir nun vorstellen:

  • Brautvater: Friedrich Albrecht (Albert) Graf von Schönburg – Hartenstein •07.12.1713 †18.12.1786
  • Brautmutter: Erdmuthe Magdalena Gräfin von Schönburg – Stein •17.11.1722 †27.03.1806
  • Braut: Sophia Friederike Erdmuthe Gräfin von Schönburg •24.03.1756 †22.03.1782
    Todesursache war, wie bei Kurfürst Ernst, ein Sturz vom Pferd.
  • Bräutigam: Gottlob Johann Ludwig Graf von Hochberg und Freiherr von Fürstenstein aus Rohnstock (Schlesien) •30.05.1753 †14.12.1791

Die Copulation, d.h. die Hochzeit, wurde am 19.08.1779 auf Schloß Hartenstein durch Hofprediger und Inspector M. Richter vorgenommen. Bei den mehrere Tage andauernden Hochzeitsfeierlichkeiten besuchte die Hochzeitsgesellschaft an einem Tag auch die „Prinzenhöhle“. Dies ist am 17.08.1779, also zwei Tage vor der eigentlichen Hochzeitszeremonie gewesen.

Zu diesem Tag wird uns folgende Aussage übermittelt:
„Am 17.08.1779 richtete der Baron von Kotzau, ein Cousin der Braut, eine „ergötzende Lustbarkeit“ vor der historischen Kulisse der „Prinzenhöhle“ aus.

Was wir unter „ergötzender Lustbarkeit“ verstehen sollen, wurde nicht übermittelt. Dass es sich um eine Parodie zum Prinzenraub gehandelt haben könnte, ist nicht ausgeschlossen.

Es ist nun an der Zeit, die in den letzten Jahren aufgekommene Diskussion zur richtigen oder falschen „Prinzenhöhle“ am Beispiel der Durchführbarkeit der Grafenhochzeit an den „Prinzenhöhlen“ zu beenden. Wie oben nachgewiesen, gab es an keiner der in Frage kommenden „Höhlen“ eine Hochzeitsfeier. Eine Beweisführung damit ist unsinnig und diskriminiert die wirklich historischen Überlieferungen und die daraus zu erarbeitenden Fakten. Ebenso sollte man die Lithographien, auf denen die verschiedenen „Prinzenhöhlen“ dargestellt sind, in diesem Fall zu den Akten legen.

Wo steckte der kleine Ernst?

(Thomas Schade, Sächsische Zeitung vom 08.Juli 2010)
„…dass Prinz Ernst vor 555 Jahren tatsächlich in der schmalen Steinritze saß, bewacht von zwei Raubrittern, ist alles andere als bewiesen“.

Abschließend wird in diesem Beitrag Andre Thieme vom Institut für sächsische Geschichte und Völkerkunde der TU Dresden zitiert:
„Die Leute haben eine Prinzenhöhle, und der Forschung bleibt eine Aufgabe“.

Den Leuten soll die „Prinzenhöhle“ auch erhalten bleiben. Mehr als 200 Jahre nach ihrer Namensgebung hat sich die „Prinzenhöhle“ den Status des Bestandsschutzes verdient.

Bleibt die Frage, ob sich die Forschung dieser Aufgabe widmen wird? Ich persönlich sage eher nein, sie tut es nicht. Studierte Archäologen, Historiker und andere, auf diesem Feld tätige Akademiker, werden sich nicht auf das dünne Eis der Spekulation begeben. Es gibt keinen gesicherten historischen Beleg. Jeder Versuch einer Beweisführung wird am Ende kein absolut sicheres Ergebnis präsentieren können. Wer ein bisschen Verstand mit Interesse an der Sache und etwas Phantasie paaren kann, sollte den Mut haben, sich an die „Forschung“ zu wagen. Die Kraft dazu kann man aus einem Zitat des Schriftstellers Heribert Illing schöpfen, welches er in seinem Buch DAS ERFUNDENE MITTELALTER präsentiert:
„Es kann der Zeitpunkt kommen, an dem nur noch der unbedarfte Außenseiter mit seinem unverstellten Blick eine Lösung erkennt, die der Fachmann inmitten „seiner“ Bäume niemals finden würde.“

Ausgangspunkt der Suche nach dem „Prinz-Ernst-Stollen“ ist die Nachricht des Diakon Käufler, dass er die „Prinzenhöhle“ gefunden habe, an Magister Gotthelf Friedrich Oesfeld, einer der herausragenden Chronisten seiner Zeit.

„Der Diaconus Johann Friedrich Käufler aus Hartenstein hat mir seine Gedanken hierüber schriftlich mitgeteilt, welche folgende sind: Ich habe die sogenannte Prinzenhöhle unter folgenden Kennzeichen, die ich aus vielen davon handelnden Schriften gesammelt, im verwichenen Sommer aufgesucht und glücklich gefunden. Die angegebenen Kennzeichen waren diese:

  1. die Höhle muß im Wald an der Mulde hinter dem Schloß Stein,
  2. bey der alten Eisenburg, also nicht in, auch nicht unter dem alten Raubschloß, das ist ohnweit oder in der Nähe der Eisenburg, seyn
  3. an der ehemaligen alten Fränkischen oder Nürnbergischen Straße

Unten am Fuß des Berges ist die Nürnbergische Straße vorbey durch die Mulde gegangen, wo man noch die alte Furth, ja bei seichtem Wasser sogar die Überbleibsel von steinernen Pfeilern zeigt“.

Der erste Schritt der Nachforschungen musste also die Suche nach den erwähnten, aber nicht genauer benannten alten Schriften sein. Man sollte nicht glauben, wie viele Chronisten sich mit unserer sächsischen und erzgebirgischen Heimat befasst haben. Es haben aber nicht alle zum Prinzenraub geschrieben und erst recht nicht zum Versteck des Prinzen Ernst. Zu denen, bei denen nichts zu finden war gehörten solche bekannten Chronisten wie Christian Lehmann und Christian Meltzer.

Die für unsere Nachforschung wichtigsten Chronisten und Autoren seien nun in zeitlicher Reihenfolge genannt:

  • Georg Fabricius •23.04.1516 in Chemnitz †17.07.1571 in Dresden;
    “Analen der Stadt Meißen”
  • Petrus Albinus •18.06.1543 in Schneeberg †31.07.1598 in Dresden;
    „Meißnische Land- und Bergchronik“
  • Samuel Friedrich Mittelbach •29.01.1684 in Hartenstein;
    „Das Ruhm und Ehrengedächtniß des Uhralten Hoch- Gräflischen Hauses von Schönburgk“
  • Georg Christoph Kreysig •07.10.1695 in Dörfel bei Annaberg †13.01.1758 in Dresden;
    „Beyträge zur Historie derer chur- und fürstlich Sächsischen Lande“
  • Christoph Gottlob Grundig •05.09.1707 in Dorfhain †09.08.1780 in Freiberg;
    „Nachricht von dem, in der Herrschafft Schönburg – Stein, ehemahls gelegenen Schloß Eisenburg“
  • Adam Daniel Richter •21.07.1709 in Chemnitz †30.01.1782 in Zittau;
    „Umständliche, aus zuverlässigen Nachrichten zusammengetragene chronica, der an dem Fusse des Meissnischen Erztgebürges gelegenen, Churfürstl. Sächssl. Stadt Chemnitz, nebst beygefügten Urkunden“
  • Gotthelf Friedrich Oesfeld •31.08.1735 in Ascherleben †24.06.1801 in Lößnitz;
    „Historische Beschreibung einiger merkwürdiger Städte im Erzgebirge, insbesondere der Bergstadt Lößnitz“ und „Historische Beschreibung einiger merkwürdiger Städte im Erzgebürge, worinnen noch Merkwürdigkeiten von Lößnitz, Auch Chemnitz, Chatharinenberg im Buchholz, Eybenstock, Grünhayn, Johann georgen Stadt, Scheibenberg, Schlettau, Schneeberg, Hartenstein, Merana, Bockau, auch von der Annabergischen Dioces Nachricht gegeben wird“

Setzt man voraus, dass Diakon Käufler Zugriff auf diese alten Schriften hatte, so müsste man aus heutiger Sicht beim Studium dieser Schriften zu einem annähernd gleichen Ergebnis kommen. Bei Albinus, der sich auch auf seinen Vorgänger Fabricius bezieht, erfährt man, dass zu vielen Details gegensätzliche Aussagen bestehen. Aus welchem Grund auch immer, es wurden keine zeitnahen Aufzeichnungen gemacht. Das erste und auch offizielle Dokument ist, „Churfürst Friedrichs von Sachsen Ausschreibung oder Manifest an unterschiedene Chur- und Fürsten des Reichs, Cuntzens von Kaufungs böse Handlung betreffend“

In der für uns wichtigen Passage erfahren wir,
„…teileten sie sich abermahls im Walde, dass irer vier, nemlich Wilhelm von Mosen und Wilhelm von Schönfelß, mit zweyen iren Knechten, mit unserm Sone Hertzog Ernste, im Wald in einer Steinritzen in großem ungeferte bis uf den Fritag nach Kiliani sich enthielten.“

Zum Versteck des Prinzen Ernst gibt uns Petrus Albinus eine genauere Ortsbestimmung:
„Nemlich, im Wald bey dem Schlos Stein an der Mulda unterm Schneeberg.“

Diese Aussage wurde von Mosen und von Schönfels bei der Übergabe des Prinzen Ernst auf Schloß Hartenstein gemacht.

Mittelbach informiert uns mit folgender Aussage:
„Es habe sich Schönfels, nahe bey der Mulde beym Schloß Stein unter Schneeberg, bei Eisenburg, in einer Höhle verborgen gehabt.“

Richter bringt folgendes zu Papier:
„Im Wald nahe bei der Mulde, bei dem Schloß hinter Schneeberg bei Eisenberg, welche Eisenburg vermutlich das über der Roten Mühle jenseits der Mulde jetzo sogenannte Raubschloß gewesen, in einer Höhle verborgen.“

Wir erkennen, dass bei allen drei Chronisten identische Aussagen getroffen werden. Lediglich aus der Zeit, die dem „Wüsten Schloß“ einen Namen gab, kommt die „Eisenburg“ oder das „Raubschloß“ ins Spiel.

Von Magister Oesfeld erfahren wir, vor der „Wiederentdeckung der Prinzenhöhle“:
„Dannenhero hatten sie versucht, beym Pfarrer zu Hartenstein, mit ihrem Prinzen einzukehren, in Meinung, daselbst währenden Stürmens und Aufsuchens, sicher zu seyn. Weil aber derselbe abwesend gewesen, so haben sie sich in einem nahe gelegenen Walde, ohnweit des Mulda-Flusses und des Schlosses Stein bey Eisenburg, einem zerstörten wüsten Schloss, welches jetzt nur das alte Raub-Schloss genennt wird, in einer Höhle verborgen aufgehalten“;

Magister Grundig waren alle oben getroffenen Aussagen zum Versteck des Prinzen bekannt. Er geht aber gedanklich einen Schritt weiter und zieht in Erwägung, dass man auch im Zindelwald, im Mehltheuer und im Bereich der heutigen Eisenbrücke nach dem Versteck suchen könnte. „Unterm Schneeberg“ und die Möglichkeit, dass „Eisenburg“ mit „Eisenbrück“ verwechselt werden konnte, waren für ihn mögliche Indizien. Durch weitere Schlussfolgerungen dazu, kam er aber zum Standort der vorher genannten Chronisten zurück.

Das Fazit aus dieser Betrachtung ist, dass alle Aussagen auf Petrus Albinus zurückzuführen sind.

Die Aussagen des Diakon Käufler in seinem Brief an Magister Oesfeld zur „Prinzenhöhle“ sind abgesehen davon, dass er „Unterm Schneeberg“ weglassen musste, mit den „alten Schriften“ identisch.

Käufler, seit einem Jahr in Hartenstein wohnhaft, war sicherlich ein kluger Mann. In wieweit er über den Altbergbau in unserer Gegend Kenntnis hatte, ist unklar. Unter welchen Kriterien man einen Stollen oder ein Mundloch suchen muss, war ihm sicherlich geläufig. Dass in diesem Gebiet noch andere Stollen existierten, entzog sich wahrscheinlich seiner Kenntnis. Jedenfalls gibt er keine Kunde dazu. Er hat also den Stollen, den er fand, zur Prinzenhöhle erklärt. Seine Überzeugung, die „Historische Prinzenhöhle“ gefunden zu haben, wurde sicherlich vom schon an anderer Stelle erwähnten Gedankenspiel des Magisters Grundig bestärkt.

Zwei Fragen müssen an dieser Stelle erlaubt sein.

  1. Wird der gefundene Standort der wichtigen Aussage „Unterm Schneeberg“ gerecht? Ein ganz klares Nein! In historischen Schriften kommt diese Beschreibung nur für Standorte linkseitig der Mulde vor. Erst mit der Stadtgründung rückte „Schneeberg“ ins Zentrum von Beschreibungs- und Entfernungsangaben.
  2. Warum wird das Grafenschloss Hartenstein bei der Beschreibung der Örtlichkeit nicht genannt? Der gefundene Ort hätte dieses doch zugelassen. Dass das „zweitrangige“ Schloss Stein erwähnt wird, ist Hinweis darauf, dass die „Prinzenhöhle“ nicht unser „Prinz-Ernst-Stollen“ ist. Die Erwähnung der Eisenburg durch Chronisten, nach Petrus Albinus, erhärtet diese Hinweise noch.

Der zweite Abschnitt von Käuflers Bericht lautet folgendermaßen:
„…an der ehemaligen alten Fränkischen oder Nürnbergischen Straße. Unten am Fuss des Berges ist die Nürnbergische Straße vorbey durch die Mulde gegangen, wo man noch die alte Furth, ja bey seichtem Wasser sogar die Überbleibsel von steinernen Pfeilern zeigt“

Die Suche nach der Fränkischen oder Nürnbergischen Straße wurde zur unendlichen Geschichte. Weder bei den hier schon genannten, noch bei den vielen anderen Chronisten war ein Hinweis zu dieser Straße zu finden. Der große Zeitaufwand für diese Suche brachte kein Ergebnis. Mit dieser Enttäuschung muss man leben. Es brauchte noch einige Zeit, bis die Erkenntnis reifte, dass Käufler unbewusst eine falsche Fährte gelegt hat. Die Straße trat uns als Begriff entgegen. Erklärt man sie einfach zu einer Straße, die nach Franken oder Nürnberg führte, so entfällt die Suche. Diese Altstraße war im Hochmittelalter die wichtigste, wenn nicht einzige Ost-West-Verbindung, die durchs Erzgebirgsvorland führte. Sie erfüllt alle Forderungen einer Altstraße. Wer sich mehr für Altstraßen interessiert, kann sich bei
H. Wieschel (1901) „Die ältesten Wege in Sachsen“ bestens informieren.

Mit dem von Wieschel vermittelten Wissen ausgerüstet, begann die Suche im Gelände. Der gefundene richtige Verlauf der Strasse nach Franken, im Hartensteiner Forst bis zur Mulde, kann wie folgt beschrieben werden: Grünaer Lücke – Johannaweg – rechts des Ottertals – Querung der Talstraße – Muldenfurt. An dieser relativ kurzen Strecke treffen wir mehrgleisig auftretende Hohlen an. Der Standort einer Warte ist am oberen Ottertal zu finden. Diese Warte diente dem Wegeschutz und der Nachrichtenübermittlung. Im „Asterchen Meilenblatt“ ist die Muldenfurt noch eingezeichnet. Die Wegeforschung kann sehr viele neue Erkenntnisse zur Geschichte unserer Heimat liefern. Besonders wichtig wird sie dann, wenn Urkunden oder andere Dokumente fehlen.

Bleibt an dieser Stelle nur noch nachzuweisen, dass die Altstraße nicht direkt am Fuße des Berges, der die „Prinzenhöhle“ beherbergt, vorbeiführen konnte. Zum einen stimmten bei dem angenommen Verlauf durch das Gelände des Schachtes 371 die Kriterien einer Altstraße im wesentlichem nicht, zum anderen ließ die topographische und geomorphologische Situation im Bereich Berg/Mulde dies nicht zu. Der anstehende Fels des Bergsporns streicht im heutigen Bett der Mulde aus. Er zwang die Mulde auch zu diesem fast 90-Grad-Bogen. Aus dieser Richtung war somit keine Zufahrt zur Furt möglich. Spätere Eingriffe ins Gelände, wie Eisenbahnbau, Bau der Talstraße und Bau der Zufahrt zum Schacht 371 schufen eine andere Situation. An dieser Stelle scheint es angebracht, auf die in alten und neueren Schriften immer wieder auftretenden Begriffe Teufelskluft und Teufelsloch einzugehen. Beide sollte man nicht Stollen oder Höhlen zu ordnen. In unserem Falle können beide den an dieser Stelle engen Durchlass der Mulde erklären. Mit dem dicht bewaldeten, von beiden Seiten bis zur Mulde reichenden steilen Berghängen und dem durch den Muldebogen erzeugten stärkeren Rauschen der Mulde kann bei den vorbeikommenden Mensch zu dieser Wortschöpfung geführt haben. Für die Bezeichnung Teufelskluft käme noch der tiefe Geländeeinschnitt des Ottertales in Frage.

Eine kurze Erwähnung sollen hier auch einige in der Berichterstattung auftretende Differenzen finden.

  • Wilhelm von Schönfels wird auch zu Wilhelm von Schönfeld.
  • Prinz Ernst wird einmal an Veit II. von Schönburg, ein anderes Mal an Friedrich XX. von Schönburg übergeben.
  • Bei Albinus werden Erdbeeren und bei Regina Röhner Heidelbeeren von oder für den Prinzen gepflückt.

Alle drei Beispiele sind für unsere „Forschung“ unwesentlich.

Das letzte Beispiel möchte ich aber dazu nutzen, um darzustellen, wie stark wir in unserer Denkweise von der aktuellen Lebenssituation und den eigenen Befindlichkeiten abhängig sind.
Der Prinzenraub fiel, klimatisch betrachtet, in die Zeit der kleinen Eiszeit. Diese Eiszeit datiert man von Ende 14. / Anfang 15. Jahrhundert bis ca. 1850. Die Durchschnittstemperatur fiel um moderate 1 Grad. Es gab über sehr lange Abschnitte eisige Winter und sehr nasse Sommer. Die ohnehin nur kargen Erträge der Bauern gingen weiter zurück. Es kam zu Hungersnöten und Seuchen, gegenseitiges Misstrauen und Anschuldigungen führten u. a. zum Hexenwahn. Die Bevölkerung, gültig für das Deutsche Reich und Skandinavien, ging von 11,6 Millionen 1340 auf 7,5 Millionen 1440 zurück. Nachzulesen bei „Siedler Deutsche Geschichte Band 4“.
Das Größenwachstum der Menschen ging zurück und stieg lt. Statistik auch erst ab 1850 wieder an. Das viele Orte zu Wüstungen wurden, liegt eher an dieser kleinen Eiszeit als an Kriegen und Fehden.
Wenn wir in der heutigen Zeit anfangs des Monats Juli keine Walderdbeeren, sondern Heidelbeeren pflücken, so waren es zur damaligen Zeit doch Erdbeeren.

Wir durchqueren die Mulde und erreichen den Poppenwald. Als von Mosen und von Schönfels mit Prinz Ernst die Mulde durchquerten, wurde sie noch die „abendländische Mulde“ genannt. Erst später wurde sie zur Schneeberger Mulde und danach zur heutigen Zwickauer Mulde. Benutzt man die Furt, so ist das bei normaler oder leicht erhöhter Wasserführung kein Problem. Bei Hochwasser ist das nicht möglich. Von einem Hochwasser wird uns durch „Vollständiges Staats – Post – und Zeitungslexikon von Sachsen“ berichtet.

Dieses Lexikon, von August Schumann (Vater des Robert Schumann) und Albert Schiffner erarbeitet, wurde 1828 in Zwickau herausgegeben.
„Nach der Volkssage war damals die Mulde so angelaufen, dass Mosen sich nicht hinüber wagte, und lieber in den besagten Stollen verbarg“.

Ein weitere Erwähnung des Hochwassers finden wir im „Handbuch der Geographie, Statistik und Topographie des Königreiches Sachsen“, erarbeitet vom schon erwähnten Albert Schiffner und 1839 in Leipzig herausgegeben.
„Unterhalb der Burg führt der sogenannte Eisenfurth durch die Mulde, der jedoch den Prinzenräubern, weil der Fluß eben angeschwollen war, nicht half“.  

Dass die Mulde im Juli 1455 Hochwasser geführt haben kann, ist nicht unmöglich.
Interessant an diesen beiden Aussagen ist jedoch, dass die Volkssage von 1828 zur Tatsache im Jahre 1839 wurde. Auch diese beiden Chronisten werden sich die Frage gestellt haben, wie es sein kann, dass dieser schwer zu findende und im unwegsamen Gelände liegende Stollen das Versteck des Prinzen wurde. Ein Hochwasser kann dabei einiges, wenn auch nicht alles erklären. Alle bekannten Chronisten, die sich mit dem Prinzenraub befassten, haben mit keiner Silbe eine angeschwollene Mulde erwähnt.

Nachdem wir unsere Aufmerksamkeit der Mulde gewidmet haben, wenden wir uns nun dem Poppenwald zu. Hier ist es als erstes angezeigt, mit großen Ungereimtheiten, das Territorium des Poppenwaldes betreffend, aufzuräumen. Dies wird noch einmal für unsere Nachweisführung von Bedeutung sein. Ein erst kürzlich bearbeiteter Beitrag „Poppenwald“ bei „Wikipedia“ will uns weismachen, dass der Hartensteiner Forst und der Steinwald zum Poppenwald gehören und somit diesen Namen tragen. Der Gipfel des Unsinns ist, die Schloßruine Hartenstein in den Poppenwald zu verlegen. Dies ist alles schlichtweg falsch. Es wird auch nicht richtiger, wenn aus „Werte der Heimat Band 31 – Zwischen Zwickauer Mulde und Geyerschem Wald“ falsche Schlussfolgerungen gezogen wurden.

Unser Poppenwald hatte ursprünglich eine Größe von 130 ha. Heute, im Jahre 2012, hat der Poppenwald nach Aussage der Revierförsterin Frau Reuter eine forstwirtschaftliche Nutzfläche von 80 ha. Die restlichen 50 ha werden von ehemaliger Industriebebauung, Eisenbahntrasse, Talstraße, Uranbergbau einschließlich Folgeeinrichtung, Gartenanlage und weitere kleine Flächen beansprucht.

Schon bei der ersten urkundlichen Erwähnung wird der Poppenwald als Poppenholz bezeichnet. Diese Namensnennung finden wir in der Zwickauer Chronik. Für das Jahr 1478 steht u. a. folgendes geschrieben:
„Am 24. März diesen Jahres kaufte Martin Römer von Friedrich von Schönburg zu Glauchau das Poppenholz bei Wildbach mit den Gerichts- und Jagdrechten außer der hohen Jagd für 600 Gulden.“

Der Namen „Poppenholz“ ist mit hoher Wahrscheinlichkeit, wenn auch nicht belegt, in den Jahren nach der Gründung des Klosters Zelle entstanden. Wer ins Kloster wollte oder musste, wie zum Beispiel Mönche, Pilger, Handwerker oder abgabepflichtige Bauern, zog durch das Poppenholz oder sie hatten vom Wacholderberg, in dessen Nähe der über die Furt bei Schloss Stein kommende Weg zum Kloster die Straße nach Nürnberg kreuzte, eine gut Sicht auf das imposante Waldgebiet des Poppenholzes.

30 Jahre vor dem Verkauf des Poppenholzes an Martin Römer saß Kunz von Kaufung auf Burg Stein. Er war Lehnsmann der Schönburger. Von 1448 bis 1450 war er Herr über Stein und den dazu gehörigen Dörfern Wildbach und Langenbach mit Lerchenberg. Ebenso zählten der Steinwald und das Poppenholz zu seinem Besitz. In diesen zwei Jahren – nach der „Lindenauer Nahme“ wurde ihm des Lehen gekündigt – hatte er bestimmt einen guten Überblick über seinen relativ kleinen Besitz, den er in unserer Gegend hatte. Er kannte mit Sicherheit die durch bäuerliche-bergmännische Tätigkeit aufgefahrenen Stollen und Mundlöcher. Auch seine Verbündeten werden Kunzens Besitz gut gekannt haben. Wilhelm von Schönfels und Wilhelm von Mosen haben den exponierten Stollen an der Straße nach Franken schon vor der Entführung in Augenschein nehmen können.

Petrus Albinus berichtet ja davon, dass sie auf Kunzens Rat diesen Weg nehmen sollten. Man darf Kunz von Kaufungen schon zutrauen, dass er zumindest einen groben Plan für die Entführung hatte. Ob sie aber den Stollen in diesem Ausmaße vorfanden, wie er im 1826 erschienen Wanderbuch „Der Weg von Schneeberg bis zur Prinzenhöhle“ beschrieben wird, ist nicht sicher.
„Und in der That befindet sich nahe bei dem Schloß Stein am linken Ufer der Mulde, in dem von der Eisenburg weg gegen diesen Fluß sich herabziehende Gebirge der Eingang zu einem in den Fels getriebenen Gang. Dieser Gang ist bei seinem Anfang 2 Ellen weit und 2 1/4 Ellen hoch. In kurzer Entfernung vom Eingang erweitert sich der Gang bis zu 6 Ellen Breite. Mit dieser Breite zieht sich der Gang in Richtung Eisenburg zu, 20 Ellen tiefer ins Gebirge, nachher verengt sich der Gang bis auf 3 Ellen. Von da gehen ähnliche Gänge zu Seite ab.“

In dieser Größe ist der Stollen ein ideales Versteck. Eine sächsische Elle entspricht 0,5664 m.
Es kann nicht mit Sicherheit behauptet werden, dass von Schönfels und von Mosen diesen Stollen kannten, mit Sicherheit kannten sie aber den ursprünglichen Vorgängerstollen.

Es ist dringend geboten, die Zeit nach dem Kauf des Poppenholzes durch Martin Römer zu beleuchten. Zeitnah zum Verkauf schenkte Martin Römer dem Georgenhospital die Hälfte des Poppenholzes. Welche Hälfte behielt Martin Römer? Da die Verbindungsstraße von Wildbach nach Schlema den Poppenwald teilt, neigt man schnell dazu, diese Teilung im genannten Fall auch anzunehmen. Dem wird aber nicht so sein. Römer hat den gesamten Bereich der Steilhänge bis zur Mulde zwischen dem Wildbach und dem heutigen Borbach behalten. Hier wollte er, nachdem im „Hohen Forst“ der Bergbau zu Ende ging, ein neues Bergbaugebiet erschließen. Bergleute aus dem „Hohen Forst“, vielleicht auch aus dem Schneeberger Revier wurden hier tätig. Uralte Flurnamen wie „Hoher Ries“, „Im Schieferberg“, „Fuchsberg“, Dörrer Berg“ oder „Schlemaer Berg“ legen davon Zeugnis ab.

Auch der Namen des heute noch bekannten Stollenweges stammt aus der Zeit des Martin Römer.

Wie umfangreich der Bergbau betrieben wurde, ist nicht mehr gut feststellbar. Viele der vermeintlichen Stollen und Mundlöcher werden durch den Eisenbahnbau und den Bau der Talstraße zerstört oder verschüttet worden sein. Andere können durch Erosion oder Menschenhand verschüttet sein und auf ihre Entdeckung warten. Sehr erfolgreich und ergiebig konnte der Bergbau nicht gewesen sein, denn schon 1515 verkauften die Nachkommen des Martin Römer den restlichen Teil für 320 Gulden an das Georgenhospital.

So wie der Stollen 1826 beschrieben wurde, kann er nur von erfahrenen Bergleuten neu aufgefahren worden sein. Wilhelm von Schönfels und Wilhelm von Mosen benutzten also den dort vorhandenen ursprünglichen und damit vermutlich kleineren Stollen als Unterkunft und Versteck.

Während der Zeit des 30-jährigen Krieges suchten Wildbacher Einwohner in unserem Stollen Schutz vor den Holkschen Truppen. Im Wildbacher Kirchenbuch übermittelt uns Pfarrer Köhler, dass er selbst zwei Mal mit Weib und Kind dabei war,
als 1632 Manns- und Weibspersonen sich im Wald und in Steinfelsen verkrochen, mit Hunden und vielseitiger Schrecknis aufgejagt und durch die Mulde getrieben wurden.“

An dieser Stelle beenden wir vorerst den Ausflug zur Geschichte des Poppenwaldes.

Die Geschehnisse des Prinzenraubes sollen nun unsere ganze Aufmerksamkeit genießen. Um eine Wertung treffen zu können, ziehen wir die Nachrichten des Petrus Albinus heran und vergleichen sie mit den genannten Fakten in Regina Röhners Buch „Der Sächsische Prinzenraub“. Darüber hinaus werden natürlich auch andere relevante Fakten und Aussagen beleuchtet.

Beginnen wir in Hartenstein. Albinus lässt uns wissen:
„Die andren zweene/ haben ihren Herzog Ernst auch auff ein Roß gesetzt/ und zwisschen sich einen anderen Weg davon geführet/ haben ihn erstlich zu einem Pfarrherr gebracht/ wie etliche wollen gen Hartenstein/ und sollen des willens gewesen sein/ ihn von dannen aus Cuntzens rath/ durch das Voigtland ins Franckenland zu bringen.“

Aus dieser Nachricht kann keinesfalls entnommen werden, dass der Pfarrer nicht zu Hause war. Es ist eher wahrscheinlich, das sie bei der eingelegten Rast den geistlichen Segen des Pfarrers empfangen haben und ihren Weg bis zum „Prinz-Ernst-Stollen“ fortsetzten. Wie bekannt, waren Kunz von Kaufungen und seine Verbündeten im Herrschaftsgebiet der Schönburger keine Unbekannten. Aus diesem Grund nahm man eher eine wohlwollende Haltung ein. Kunz von Kaufungen hatte beim Kampf gegen die Hussiten den damals unter Vormundschaft stehenden Herren Veit II. und Friedrich XX. als Hauptmann und Getreuer gedient. Weil noch andere Adlige von den berechtigten Forderungen des Kunz überzeugt waren, wurde nach dessen Gefangennahme „Kurzer Prozess“ gemacht. Damit konnte man unangenehmen Fragen und Antworten aus dem Weg gehen. Seit dieser Zeit ist „Kurzen Prozess machen“ zum geflügelten Wort geworden.

Die Darstellungen der Regina Röhner, die sie, beeinflusst vom Standort der Prinzenhöhle, zu Papier brachte,
„Die Männer unter der Führung der Ritter von Mosen und von Schönfeld wurden am Dienstag von schönburgischen Mannen und bewaffneten Bürgern so hart bedrängt, dass sie sich entschließen in zwei Trupps weiter zu reiten, um so die Verfolger abzulenken. Während Mosen und Schönfeld mit zwei Knechten flüchten, wird die andere Gruppe in Handgemenge verwickelt, und es werden ihr dabei sechs Männer und die meisten Pferde abgejagt. Worauf die Übriggebliebenen dann ebenfalls ihr Heil in der Flucht suchten.“

In keiner der gelesenen historischen Schriften, die vor 1778 verfasst wurden, ist von diesem Aufeinandertreffen berichtet worden. Ich kann mich noch dunkel an das Theaterstück „Der Prinzenraub“, vom Hartensteiner Bürger Fritz Arnold geschrieben, erinnern, wo diese Szene dargestellt wurde. Die Hartensteiner durften das, als historischer Fakt sollte damit nicht aufgewartet werden.
„Mosen und Schönfeld müssen ihre Pferde zurücklassen um sich ins Dickicht des Hartensteiner Forstes zu flüchten.“

Es kann ja auch gar nicht anders sein, wie sollte man denn zu Pferde in diesen unzugänglichen, an einem Steilhang gelegene Stollen kommen? Ritter Runkel von Rübenstein, bekannt durch das Mosaik, würde hier noch folgendes Zitat entgegenhalten:
„Ein Ritter ohne Pferd ist keinen Kreuzer wert.“

Nachdem geklärt war, dass Mosen und Schönfels nach Übergabe des Prinzen keine Sanktionen zu erwarten hatten, berichtet Albinus,
„…Herrn Veit von Schonburg auff sein Schloss Hartenstein/ nicht fern von dannen/ da sie gewesen/ und da sie beide hin zu Fuss sollen gegangen sein/ eingestellt und ergeben.“

Wenn bei Albinus beide zu Fuß nach Schloss Hartenstein gegangen sind, so heißt das nicht, dass sie ohne Pferde ins Schloss kamen. Während Prinz Ernst zu Pferde saß, führten Mosen und Schönfels ihre Pferde am Zügel. Das war zur damaligen Zeit eine Geste der Demut und der Unterwerfung. Regina Röhner schreibt nur, dass der Prinz am 11. Juli auf Schloss Hartenstein übergeben wurde. Aus ihrer Sicht bedurfte es auch keines Hinweises darauf, dass, wer zu Fuß in den Wald geht, auch zu Fuß wieder herauskommen muss.

Um die Gegensätzlichkeit zu der von mir dargelegten Nachweisführung zu erhärten, soll noch ein Auszug aus Regina Röhners Buch „Der sächsische Prinzenraub“ dienen.
„Gegen Abend erreichten sie das Tal der Zwickauer Mulde nahe der Burg Stein. Vor wenigen Jahren hat hier der Kaufunger gesessen, Mosen ist des öfteren bei ihm zu Gast gewesen. Er kennt sich hier gut aus und weiß, der alte Eisenstollen, das verrufene und gefürchtete Teufelsloch auf halber Höhe des Steilhangs des Knoblochberges bietet Schutz und Sicherheit. Er hat schon früher diese Zuflucht benutzt. Von dort aus lässt sich auch die Nürnberger Straße gut einsehen“.

Randvermerk: Den Knoblochberg finden wir ganz selten auf alten Karten. Heute spricht man vom Knoblauchfelsen, der seinen Namen deshalb erhielt, weil in seiner Nähe Bärlauch wuchs.

Von wem Mosen und Schönfels die Nachricht von der Gefangennahme des Kaufunger haben, ist nicht zu beweisen. Trotzdem hatten einige den Mut, Fakten zu schaffen. Man erfährt aus verschiedenen, meist neueren Quellen, dass Holzfäller, Flößer, Kaufleute und Fuhrleute die Überbringer der Botschaft waren bzw. belauscht wurden. Zieht man alle genannten Möglichkeiten in Betracht, so kann nur der „Prinz-Ernst-Stollen“ mit seiner exponierten Lage das Versteck des Prinzen gewesen sein.

Nach all den Nachweisen, Beweisen und Gegenbeweisen kann mit Zufriedenheit und Sicherheit ausgerufen werden,
„Ich habe den „Prinz-Ernst-Stollen“ gefunden“!

Die Geschichte des gefundenen „Prinz-Ernst-Stollen“ ist aber noch nicht zu Ende geschrieben. In der Zeit der Gründerjahre ergriff die Industrialisierung auch das Tal der Mulde. Der Unternehmer Gustav Toelle errichtete nach 1880 rechtsseitig der Mulde eine Holzschleiferei. Für die Fundamente der Gebäude, aber viel mehr noch für das Muldenwehr, den Einlauf des Betriebsgrabens und für die Fundamente der Toellebrücke wurden Steine benötigt. Diese Steine wurden aus dem anstehenden Fels am Muldenufer gebrochen. Auch im Bereich des „Prinz-Ernst-Stollen“ wurden Steine gebrochen. Ein wesentlicher Teil unseres Stollens fiel dieser Arbeit zum Opfer.

Die Existenz des Prinz-Ernst-Stollens an dieser Stelle ist eine Tatsache. Um diese zu bestätigen, bedarf es keiner Zeitzeugen. Nach neuesten Erkenntnissen existieren noch die Fortführung der Gangstrecke und die Reste von zwei Querschlägen im Berg.

Wir hätten den 1826 beschriebenen Stollen in seiner ganzen imposanten Erscheinung sowieso nicht mehr betrachten können. Ja, sogar die vorhandenen Relikte des Stollens sind verschwunden. Geblieben ist uns das Bodendenkmal „Mülldeponie“. Interessierte Besucher können sich von der Schönheit dieser Örtlichkeit überzeugen.

Jürgen Hüller

Wildbach, Februar 2012