Die Vielfaltigkeit des Poppenwaldes - Wenig beachtete
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Nehmen wir die Beschreibung der „Parochie Wildbach – Langenbach“ zu Hilfe und lassen uns von Pfarrer Theodor Landgraf zum Poppenwald führen.

„Bei der neben der Kirche gelegenen Pfarre und Schule aber wenden wir uns rechts in das Tal hinab und jenseits wieder hinauf behufs eines Abstechers in den zur Parochie gehörigen selbständigen Gutsbezirk Poppenwald, ein im Besitz der Zwickauer Marien – Katharinen – Kirchgemeinde befindlicher, ca. 130 ha großer Forst, seltsamerweise jetzt zum amtshauptmannschaftlichen Bezirke Schwarzenberg gehörig, obwohl er bis 1478 in Schönburgischem Besitz und integrierter Bestandteil des großen Steinwaldes war.

Dienstag nach Ostern genannten Jahres hatte ihn Graf Friedrich von Schönburg – Hartenstein an den Amtmann Martin von Römer in Zwickau verkauft, der die Hälfte davon sofort den dasigen Hospital schenkte, an das dann von seinen Erben auch die die andere Hälfte 1515 für 320 Gulden verkauft ward“.

Pfarrer Landgraf, ein exzellenter Historiker und Chronist, hat die Beschreibung der Parochie am Sonntag Exaudi, den 19. Mai 1901 abgeschlossen. Exakt ein Jahr vorher war der zweigleisige Ausbau einschließlich der Streckenumverlegung Hartenstein – Niederschlema durch die Königlich Sächsische Staatseisenbahn, erfolgreich beendet.

Vor und während der Bauzeit gab es den erforderlichen Briefwechsel, es gab Anfragen und Abmachungen. Es gab Auseinandersetzung und gütliche Einigung zwischen den Parteien. Der Revierförster Georg Unbescheid legte großen Wert auf seine Selbständigkeit im Gutsbezirk. Allgemein zeichnet er seine Schreiben mit Forstrevier Poppenwald. Bei gegebenen Anlässen auch mit Polizeirevier Poppenwald.


Bild 1 Lageplan

Dieser Kartenausschnitt zeigt uns die Fläche, die vom Gutsbezirk Poppenwald an die Königlich Sächsische Staatseisenbahn verkauft wurde.

Hier einige Auszüge aus der Vorvereinbarung vom 20. August 1896:

„Zwischen dem unterzeichnenden Bauinspektor in Vertretung des Staatsfiskus im Königreich Sachsen, vorbehaltlich der Genehmigung der Königlichen Generaldirektion der Staatseisenbahnen und dem Kirchenvorstand der Marienkirchengemeinde zu Zwickau, daselbst als Besitzer des sogenannten Poppenwaldes in der Flur Niederschlema ist heute folgendes Abkommen getroffen worden“ :

Der gesamte Kirchenvorstand verkauft die erforderliche Fläche von 465 ar zu einem durchschnittlichen Preis von 20 Mark pro ar, ohne Holzbestand. „Für den Abbruch bzw. Wiederaufbau des vom Erzgebirgsverein auf dem mitzuerwerbenden Areal des Poppenwaldes errichteten hölzernen Pavillons am Fabrikweg zahlt der Staatsfiskus eine einmalige Entschädigung von 360 Mark an den Eigentümer“. „Der unwirtschaftlich werdende, etwa 21 ar große Streifen Wald – und Uferland bei Station 149 bis 151 rechts der Bahn, ist vom Staatsfiskus zu dem obigen Einheitspreis ebenfalls mit zu erwerben“.

So schön blumig und höflich war einmal die deutsche Sprache:

Heinrich Iffland, Eisenbahnbauunternehmer

Niederschlema, den 15.Januar 1897

An Herrn Förster Unbescheid Wohlgeboren, Wildbach Poppenwald

Zum Lösen der Massen zur Erweiterung des Bahnhofs Niederschlema und der Streckenverlegung Zwickau – Schwarzenberg von Station 143 bis 156 machen sich Sprengungen erforderlich.

Sie Wohlgeboren ersuche ich daher ganz ergebenst, behufe Sprengung dieser Massen die Genehmigung hierzu geneigtest erteilen zu wollen.

Euer Wohlgeboren zeichnet sich hochachtungsvoll und ergebenst

Ernst Lukas ppa der Firma Heinrich Iffland

Die profane Antwort des Försters Unbescheid war:

Mit dem Bemerken genehmigt, dass der Teil oberhalb des Bohrbaches in der Gemeinde Niederschlema anzumelden ist.

Mit „oberhalb“ meinte der Förster die Seite rechts des Borbaches.

 

Auf dem Foto erkennt man den tiefen Geländeeinschnitt, der durch die Sprengungen für den notwendigen Verlauf der Bahn-trasse, geschaffen wurde.

Mit den Jahren wurden die Ansprüche an Personen - und Güter-verkehr immer größer. Aus diesem Grund wurden im Bahnhofs-bereich die Gleisanlagen umfangreich erweitert. Eines der Gleise wurde um 1920 parallel zur Bahnstrecke verlegt. Es diente als Rangier – oder Ablaufberg. Das leicht ansteigende Gelände bot diese Möglichkeit.

Wie man auf Luftbildern erkennen kann wurde es auch als Abstellgleis genutzt. Hier befinden wir uns auch im Bereich der weiter oben genannten Stationen 149 bis 151.

 

Bild 2 Försterbrück'l mit Personenzug

Um dem weiteren Geschehen auf diesem Territorium einen Hintergrund zu geben muß man die politische Großwetterlage betrachten. Mitteleuropa bewegte sich auf einen militärischen Konflikt zu. Vorausschauend, auf die Sicherheit des fahrenden Personals bedacht, wurde der Bau einer Schießstand-Anlage beantragt und selbige ab 1939 auch gebaut.

Im Umfeld des Bahnhof Niederschlema fand man einen geeigneten Standort.

Zwischen Abstellgleis und Straßenböschung bot sich eine ca. 20 x 250 Meter große Fläche an, die auch noch relativ eben war. Der Schießstand hatte zwei Schießbahnen. Ein Gebäude, welches auch Stuben für die Auszubildenden hatte, komplettierte zusammen mit einem Bauwerk, welches in erster Linie für die Schießziele und als Kugelfang errichtet wurde.

Auf diesem Luftbild von 1945 können wir viele wichtige und interessante Dinge erkennen. Rechts verläuft die Talstraße. Es folgt der Schießstand, an dessen unterem Ende das Bauwerk mit dem Kugelfang zu sehen ist. In Richtung des Bahnhof Niederschlema erkennen wir das Unterkunftsgebäude. Ob man hier auch von einer Kaserne sprechen kann bleibt offen. Auf dem Abstellgleis stehen Waggons deren Schattenwurf den Betrachter verwirren kann. Auch entladene Gegenstände bringen Unruhe in das Bild. Die Gleise der Bahnstrecke Hartenstein – Niederschlema und dann die Zwickauer Mulde.

Hier erhielten die Teilnehmer die reine Schießausbildung. Die Ausbildung im Gelände war auch dringend notwendig. Dazu konnte man auf kurzem Weg in den Forst des Poppenwaldes gehen.

In Reimanns Buch „Bernsteinzimmer Komplott“ kommt auch Frau Ingeborg Starke zu Wort:

 


Bild 3 Luftbildaufnahme

Die„Soldaten habe sie gesehen, wenn sie durch den Wald zur Arbeit ging. Diese sehr jungen Soldaten, die auch komische Uniformen angehabt haben sollen, hätten sie immer am Bismarckstein kontrolliert“. Komische Uniformen? Frau Starke kannte die Uniformen der Wehrmacht, auch der SS und der Organisation Todt. Wenn es keine von diesen war, bleiben nur die dunkelblauen Uniformen der Reichsbahn ohne Schulterstücke und Kragenspiegel. Diese Annahme ist auch spekulativ, könnte aber naheliegend sein, da Personenkontrolle zur Ausbildung gehörte.

Nach dem Krieg wurde der Schießstand noch kurzzeitig von der Roten Armee genutzt. Danach begann der Rückbau der gesamten Anlage. Eine neue Nutzung kündigte sich an.

Der explosionsartige Anstieg des Uranbergbaues ging mit einem enormen Zuwachs der Einwohner daher. Es musste Wohnraum geschaffen werden. Häuser wurden gebaut und die kleinsten Räume wurden als Schlafstelle vermietet. In manchen Orten gab es fast eine Verdoppelung der Einwohnerzahlen. Dieses „Völkergemisch“ barg ein unheimliches Konfliktpotential. Die vielen ledigen jungen Männer waren in Verbindung mit Alkohol oftmals kaum zu zügeln.

   

 

Die Damit es keine Differenzen wegen der Versorgung gab, wurde als Maßnahme zur Sicherung der Grundversorgung an Stelle des Schießplatzes ein Lager für Feldfrüchte erstellt. Umgangssprachlich wurde dieses Lager als Kartoffellager oder Kartoffelbunker bezeichnet. Im Jahre 1949 war es fertiggestellt und dem Handel übergeben. An Bauwerken kann man auf der „DDR – Karte“ das Lagergebäude, ein Funktionsgebäude und eine eingebaute Waage erkennen. Es wurde aber auch noch eine Weiche eingebaut, die ermöglichte, dass an beiden Seiten des Lagers entladen werden konnte. Die Lage des Kartoffellagers war ideal. Die aus dem Norden kommenden Waggons konnten vor Ort entladen werden. Die beladenen LKW wurden gewogen und konnten dann über die Verbindungsstraße Hartenstein – Aue ihre Fracht zu den verschiedensten Abnehmern ausliefern. einstellte.


Bild 4
 

Auf der Karte kann man zwischen der Bahnstrecke Hartenstein – Niederschlema und der Talstraße Hartenstein – Aue das langgestreckte Kartoffellager und anschließend das Funktionsgebäude erkennen. Die Waage befindet sich neben der Ausfahrt. Die alte und neue Wildbacher Straßen bilden die Gabel auf der Karte. Ab 1989 wurde das Kartoffellager nicht mehr genutzt.

Der Rückbau der Gebäude begann 1989. In den Folgejahren wurden auch die Gleise demontiert. Viele Jahre blieb das Gelände ungenutzt. Seine Lage, abseits der Wohnbebauung, war sehr günstig für das Anlegen einer Vererdungsanlage.

Die Kompostierung von schadstofffreien Stoffen begann 2007 und wird bis zum heutigen Tag erfolgreich fortgesetzt.

An dieser Stelle hätte ich mein selbstgestecktes Ziel erreicht. Dummerweise ist mir aber ein Artikel der Freien Presse vom 14. August 2020 in die Hände gekommen.

Berichterstatter und Mitglied der „Wissenschaftlichen Interessengemeinschaft Poppenwald“, Mario Ulbrich, lässt uns unter der Schlagzeile „Poppenwald: Ein Versteck wie zwei Säle“ an den Erkenntnissen des Hobbyforschers Frank Thiele teilhaben. Neben den üblichen Garnierungen, wie Bernsteinzimmer, Bodenradar, Reimann, Mutschmann und Zechlin erfahren wir Neues, was zumindest mich in Erstaunen versetzt. Vom Gelände der Vererdung aus kann man im Berg eine Kaverne vorfinden. Den „großen Saal“ der Frau Zechlin. Da hier die „Drei – Millionen – Volt – Anlage“ des Kaisers – Wilhelm – Institut für Biophysik in Frankfurt/Main laut Thiele zu finden ist, hat er auch die erforderliche Größe parat.

Sie hat die Größe 25 mal 25 Meter Grundfläche und eine Höhe von 18 Meter. Im bearbeiteten Luftbild zeigt Thiele, dass die angefallenen Massen in der Mulde liegen.

Ein Ausschnitt aus den „Sächsischen Meilenblätter um 1800“ scheint diese Annahme zu bestätigen.

Wer hier annimmt, dass er keinen Abraum, sondern Schwemmland sieht irrt sich, zumindest laut Hobbyforscher Thiele.

 

Bild 5 Meilenblatt

Die Sachsen waren schon eh und je ihrer Zeit voraus. Danke für die angelegte Kaverne. Ein früher Beitrag zur Energiewende der Bundesregierung.

Die vom Eigentümer genehmigten Schachtarbeiten müssen uns nicht interessieren, sie waren genauso erfolglos wie die von 2016.

Der letzte Höhepunkt: „Auf dem Gelände der heutigen Kompostierungsanlage standen damals zwei Gebäude, die Thiele als Teil einer Versuchsanlage deutet“.

Mir reicht es. Ich habe fertig!

Wildbach, Januar 2021

Jürgen Hüller