Wer sich mit solchen Tatsachen abfinden muss, sucht immer nach Erklärungen. Keine noch so interessante Erklärung kann darüber hinwegtäuschen, dass nichts zu holen war. Ein Fakt schlägt aber positiv zu Buche, der Aufwand von 5 Stunden Arbeit ist zu der fast 20-jährigen Suche des Dietmar Reimann, nur ein „ Fliegenschiss“.
Ohne Erklärung will ich diesen Misserfolg nun doch nicht hinnehmen.
Reimanns Bücher sollen mir helfen, eine Erklärung zu finden und wenn es mir gelingt, auch Klarheit zu schaffen. Klarheit möchte ich doch erst einmal zur Wichtigsten, handelnden Person, Gustav Wyst, schaffen. Gustav Wyst war ab dem Jahr 1938 „Politischer Leiter“. Auf welcher Ebene er agierte ist mir nicht bekannt. Spätestens ab 1942 hatte er einen hohen Dienstgrad in der „Organisation Todt“. Wyst war Hauptbauführer, das war der dritthöchste Dienstgrad der Organisation. Angesichts dieses hohen Dienstgrades liegt die Vermutung nahe, dass er das Kommando über den gesamten Gau Sachsen hatte. Er hatte somit den gesamten Überblick in Bezug auf Erddepots und Bunkeranlagen. Diese Verbringungsorte wurden akribisch dokumentiert, die Dokumente standen ihm jederzeit zur Verfügung. Wyst genoss auch das Vertrauen der damaligen politischen Führung. Im April 1945 schaffte er die Kochsche Sammlung in den Poppenwald und ließ sie sicher verwahren.
Nach dem Krieg wohnte Wyst in Crimmitschau. Aber schon 1946 zog er mit seiner Familie nach Oberschlema. Oberschlema und der Uranbergbau waren in den ersten Nachkriegsjahren ein guter Ort um anonym zu bleiben. Wyst bewarb sich aber nicht um eine Arbeit bei der SAG Wismut, nein, er arbeitete beim Flurschutz. Diese Tätigkeit bot ihm die Möglichkeit, unbehelligt seine Ziele zu verfolgen.
Frühjahr 1947
„Der Waldhütergehilfe Starke erwischte ein paar Männer, die mit irgendeinem Gespann auf einem Weg durch den Poppenwald etwas abfahren wollten, möglicherweise Brennholz. So zumindest haben es die Waldhütertöchter gedeutet. Dabei soll es zu einem Handgemenge gekommen sein, in dessen Folge einer der mutmaßlichen Diebe dem Starke eine schwere Bisswunde am Arm zufügte. Sein Gegner muss hart zugebissen haben, denn es machte sich an Starkes Arm eine mehrtägige ärztliche Behandlung erforderlich. Krank geschrieben war er auch.
Hart zugebissen hat dort im gleichen Zeitraum auch Gustav Wyst, der damals „zufälligerweise“ als Flurschützer der Flur Schlema-Wildbach gearbeitet hat. Als solcher war er in ein Handgemenge geraten, in dessen Folge er zwei Schneidezähne verlor, die er anschließend in seiner Geldbörse immer bei sich trug“.
Dieser Text schildert die wahre Begebenheit. Nicht richtig ist die Schlussfolgerung, dass es hier um Brennholz ging. Auch ein Flurschützer holt sich Brennholz, wenn sich in der Nähe seines Wohnortes bequemere Möglichkeiten anbieten, nicht im Poppenwald.
Wer aber war der Begleiter des Wyst? Um das herauszufinden benutze ich wieder eine Textstelle aus Reimanns Büchern.
„Und mehr noch. Rudolf erzählte der Stasi: Im Frühjahr 1947 tauchte mein Onkel Köhler bei uns auf, obwohl er unsere Adresse nicht kennen konnte. Er musste kurz vor Pfingsten noch einmal dagewesen sein, dann habe ich ihn bis heute nicht wiedergesehen. Im Juni 1947 verzogen wir nach Elsterberg.“
Es war also Wolfgang Köhler, der mit Gustav die Erddepots räumte. Wyst konnte diese Aktion nicht mit jeden dahergelaufenen Handwerksburschen durchführen. Köhler vertraute er. Sie waren beide treue Diener des verflossen System. Sie hatten eine verwandtschaftliche Verbindung und Köhler war schnell zu erreichen, arbeitete er doch 1947 als Schiesshauer, vielleicht sogar als Schießmeister bei der SAG Wismut.
Das geborgene Gold und die in den anderen Erddepots vorhandenen Wertgegenstände mussten sichergestellt und an den entsprechenden Personenkreis gebracht werden. Ich vermute, dass ein „Solidaritätsfond“ angelegt wurde, der der Unterstützung bedürftiger Gleichgesinnter diente. Die 1951 gegründete HIAG setzte diesen Weg dann offiziell fort.
Der doch recht umfangreiche Schatz musste unbemerkt, sicher und breit gestreut an den Mann gebracht werden. Dazu benutzte man eine recht einfache, aber effektive Methode. „Ich (Rudolf Wyst) musste fast jede Woche zu einem Reformhaus in der Hauptstraße, das im Fenster Tauschangebote aushing. Diese wurden nach einer Woche immer wieder entfernt. Der von meinem Vater ausgehängte Text war sinngemäß immer gleich: Biete Fleisch und Fett, suche Brot und Nährmittel, das alles unter Chiffre. Die Briefe habe ich dann abgeholt. Wir hatten aber nie Fleisch und Fett da“.
So kam es, dass die WIP im Poppenwald erfolglos war. Verloren war der Schatz trotzdem nicht, er war nur in anderen Händen.
-Abtransport Wertpapiere aus Papierfabrik Schlema erfolgt
In der Papierfabrik Niederschlema wurde die Außenstelle der „Reichsstelle - oder auch Überwachungsstelle Papier“ eingerichtet. Erforderlich wurde dies nach der Zerstörung der „Reichsstelle Papier“ in Charlottenburg. Reichstellen gaben es für alle Zweige der Wirtschaft. Im Wesentlichen hatten sie Lenkungs- und Überwachungsaufgaben, auch Sicherstellung der Produktion von Erzeugnisse gehörte dazu. Da ab 1942 auch Bilder der „Reichstelle Papier“ zugeordnet wurden, kam es zu nachfolgenden Vorgang:
„Reichsstelle für Papier, Sachbearbeiter Muxfeld Niederschlema (Sa.)
Unterstütze Devisenantrag Gurlitt zweihundertdreiundneunzigtausend Mark Ankäufe für Museum des Führers. Habe Reichskammer gebeten Ihnen Befürwortung zu drahten.
Voss Gemäldegalerie Dresden“
Aus diesem Schreiben sollte man nicht schlussfolgern, dass in der Außenstelle Niederschlema Falschgeld in Form des Britischen Pfund gedruckt wurden oder gar die Druckplatten dafür angefertigt wurden. Zum Ankauf von Kunstgut wurde neben sauberem Geld auch Falschgeld verwendet. Mit Falschgeld wurden Spione ausgestattet und es wurde in großen Mengen über England abgeworfen um die dortige Wirtschaft zu destabilisieren.
Die Herstellung der Druckplatten und auch der Druck selbst fanden im KZ Sachsenhausen statt. Von 1942 bis 1945 wurden Banknoten von 5, 10, 20 und 50 Pfund Sterling hergestellt. Das Spezialpapier kam von der Papierfabrik Spechthausen und der Papierfabrik Hahnemühle. Die Geldfälschungsaktion lief unter dem Namen „Aktion Bernhard“.
Vertriebsleiter war SS Sturmbannführer Friedrich Schwend mit Sitz auf Schloss Labers. Anweisungen erhielt er von der „Reichsstelle Papier.“
Zu Ende des Krieges wurden die noch vorhandenen, gefälschten Banknoten im Töplitzsee versenkt. Wer glaubt, dass die Druckplatten auch im Töplitzsee liegen, der irrt sich. Die Druckplatten kamen am 10. 04. 1945 zur Außenstelle Papier nach Niederschlema. Am 16. 04. 1945 wurden die Druckplatten in einer Bunkeranlage im Poppenwald eingelagert.
Die im Schreiben genannten Wertpapiere sind eindeutig die Druckplatten.
Wildbach, Dezember 2019
Jürgen Hüller
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