Der Rittersteig, ein Steig, der kein Rittersteig war |
Bild 1 Wegweiser am Weg nach Stein
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Ein Steig am Steilhang zur Mulde ist in heutiger Zeit als Rittersteig bzw. Raubrittersteig mehr oder weniger bekannt. Jedenfalls kann man dies auf diversen Wegweisern lesen. Dieser Steig ist zu einem beliebten Wanderweg geworden. Hier kann man Natur und Heimatgeschichte erleben, Geschichten erfinden und erzählen. Es ist ja spannend, wenn man sich auf einem Steig bewegt, den schon die Ritter der „Isenburg“ benutzt haben sollen. Wenn Eltern oder Großeltern ihren Jüngsten im urigen Gelände mehr oder weniger wahre Begebenheiten erzählen, kann schon ein wohliges Gruseln hervorgerufen werden.
Widmen wir nun dem Rittersteig, wie er uns im Jahre 2022 begegnet, unsere Aufmerksamkeit.
Von Hartenstein kommend biegen wir vom Wanderweg, der Ausschilderung folgend, nach links ab. Den Hinweis, dass der Steig auch gefährliche Passagen mit alpinen Charakter hat, sollte man beachten. Bevor wir den tiefsten Punkt des Rittersteigs erreichen, stößt er auf einen in Serpentinen angelegten Wirtschaftsweg.
Dieser Wirtschaftsweg biegt an einer sehr feuchten Stelle nach links ab und führt ins Roth. Diese Schreibweise habe ich aus den Meilenblatt von Sachsen, Berliner Exemplar übernommen. |
Im Sprachgebrauch ist auch das Ruud anwendbar. Vom Hang kommt eine ehemalige Viehdrift, die heute nur noch als Geländeeinschnitt zu erkennen ist. Hier wurde die Rinder auf kurzem, relativ steilem Weg zum Weiden in das Ruud getrieben. Fuhrwerke, die Getreide zur Rothemühle brachten, schufen gemeinsam mit den Rindern einen noch heute gut zu erkennenden Hohlweg. Es ist nicht ganz einfach, diesen mit Bruchholz versperrten Weg zu bewältigen. Kommt man im Schwemmlandgebiet der Mulde an wird man im Frühjahr von einem weißen Blütenteppich empfangen. |
Hier trifft man auf Schneeglöckchen, die vom erhöhten Wasser der Mulde angeschwemmt wurden und sich ungehemmt verbreiten konnten.
Ein Natur- und Heimatfreund brachte vor vielen Jahren Bärlauch aus dem Leipziger Land hier her. Auch für Bärlauch ist das Ruud ein guter Nährboden. Zur Erntezeit der Bärlauchblätter kann man viele illegale Pfade im Gesamtbereich des Ruud erkennen. Bärlauch darf in Kleinstmengen gepflückt werden, man sollte beachten das wir uns hier in einem FFH - Gebiet befinden. Es ist ein Schutzgebiet für Natur- und Landschaftsschutz. Vom Hangwasser gespeiste kleinere und größere Tümpel sind oder waren mit Fischen besetzt.
Fuchsbaue sind hier auch zu finden. Manche sind vom Dachs besetzt. |
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Bild 2 Hohlweg vom Steig ins Roth |
Bild 3 Hier endet der Muldenweg im Roth
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Auch von Stein führt am Hang der Mulde entlang ein Weg ins Ruud. Dieser uralte Weg wurde um 1938 vom Reichsarbeitsdienst saniert und gut begehbar gemacht. Eine Markierung im Fels lässt mit viel Fantasie vermuten, dass hier Walen ihre Anwesenheit dokumentiert haben. Laut Überlieferung waren sie fremde Erz- und Mineraliensucher. Sie waren kleinwüchsig und kamen vorrangig aus Venedig. Fundstellen und Verstecke markierten sie mit bestimmten Zeichen.
Gut begehbar ist der Weg in der heutigen Zeit nicht. Geworfene Bäume müssen ständig überwunden werden. Ich finde das auch gut so. Wie schnell wären sonst hier Mopeds zu Hause, die dort nichts zu suchen haben. |
Wir setzen unseren Weg in Richtung Burgruine fort. Dieser Teil des Weges ist relativ gut zu begehen. Der Grund ist, hier wurde bäuerliche Forstwirtschaft betrieben. Schon nach kurzer Zeit endete der Weg an einem Felsvorsprung. Es ging hier nicht weiter. Man befand sich wortwörtlich auf einem Holzweg.
Auf Messtischblätter von vor 1945 ist zu erkennen, dass der Weg an der Felswand endet. Der Beweis ist erbracht, kein Ritter hat diesen Steig angelegt. Auch für Bauern und Forstarbeiter machte es keinen Sinn diesen Felsvorsprung aufzubrechen. Zumal das zeitlich erst nach 1945 einzuordnen wäre.
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Bild 4 Walenzeichen
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. Bild 5
Messtischblatt - Ende des Wirtschaftsweg
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Da wir hier erst einmal nicht weiter kommen, können wir uns einen Blick über die Mulde gönnen.
Ein Fabrikgebäude (Fbr.) in Ziegelbauweise und diverse Nebengebäude sind zu erkennen. Die Geschichte dieses Industriekomplexes ist interessant und abwechslungsreich. Sie beginnt 1837.
In diesem Jahr hat Louis Ferdinand Schönherr hier eine Werkstatt errichtet, in der er mit seinem Bruder an Konstruktion und Fertigung von Webmaschinen arbeitete.
1883 kaufte Gustav Toelle Grundstück und Gebäude von Louis Ferdinand Schönherr, der mittlerweile in Chemnitz ein großes Textilunternehmen errichtet hatte.
Toelle errichtete hier eine Holzschleiferei, um die Rohstoffbasis für seine Papierfabrik zu erweitern. 1928 wurde die Holzschleiferei wegen Unwirtschaftlichkeit stillgelegt. |
1937 wurde die frühere Holzschleiferei an Max Hartwig Opp, Mittweida für 12.000 RM verkauft. Hier war nun eine Maschinenfabrik, die hauptsächlich Schraubstöcke für Werkzeugmaschinen produzierte. Opp führte die Opp & Co Maschinenfabrik Hartenstein bis zu seiner Enteignung 1946.
Nach der Enteignung wurde unter dem Namen Hartensteiner Maschinenfabrik bis 1950 produziert. Es folgte ein Naherholungszentrum des ITVK Karl Marx Stadt. In den 90-iger Jahren gab es hier ein Asylbewerberheim. |
Wir können unseren Weg nun fortsetzen. Männer des Reichsarbeitsdienstes haben in Verbindung mit der Organisation Todt den Felssporn durchbrochen. Die OT hatte sowohl im Steinwald als auch im Poppenwald geheime Baustellen. Nun konnte ab 1944 unter Deckung durch die Bäume ein kurzer Verbindungssteig genutzt werden.
Nachdem uns der Weg bereitet wurde, gehen wir ein Stück und müssen doch wieder anhalten, um das, was wir sehen, einzuordnen. Rechts am Hang sieht man einen Brunnenring, aus dem noch Wasser fließt. Der eigentliche alte Brunnen ist am Ziegelmauerwerk zu erkennen.
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Bild 6
Fejsdurchbruch von RAD und OT 1944 geschaffen (RAD: Reichsarbeitsdienst - OT: Organisation Todt) |
Bild 7
Alter Ziegelmauerbrunnen um1837 (oben) und Brunnenring
mit Abflussöffnung
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Mit der Errichtung der Holzschleiferei stieg auch der Bedarf an Trinkwasser. Um 1887 durfte Toelle das Wassereinzuggebiet auf der Flur des Mehlhorngutes nutzen. Die beiden imposanten Brunnenaufbauten kann man heute noch betrachten. Ihre ursprüngliche Holzabdeckung wurde um 1907 durch Gusseisendeckel ersetzt. Den Hersteller kann man auf dem Deckel lesen.
Moritz Walther Eisengießerei Lugau/Erzgebirge
Links des Weges steht eine mittlerweile beschädigte Zisterne. Sie wurde ca.1955 gebaut und wirkte als Pufferbehälter um Verbrauchsspitzen zu dämpfen. Wir haben gelernt und wissen es auch das Wasser immer bergab fließt. Bis heute liegen die Wasserleitungen. |
Ob 1837, 1887 oder um 1955, die Leitungen mussten die Mulde queren. Dieser Sachverhalt erforderte regelmäßige Kontrolle. Es bildete sich ein Pfad heraus auf dem man relativ leicht zur Mulde kam.
Wer diesen Pfad als Wanderer nutze, konnte ca. 5 Meter über Wasserspiegel der Mulde die sogenannte „Bärenhöhle“ entdecken. Es ist das Mundloch eines kurzen Untersuchungsstollens aus der Zeit des Dudo von Meineweh. Dudo von Meineweh ließ nach Eisenerz suchen.
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Bild 8 Einer von 2 Brunnen um 1887 auf der Mehlhornschen Flur |
Wir laufen jetzt relativ entspannt weiter, bis sich eine Engstelle ankündigt. Für ältere Menschen kann sie zu einer Herausforderung werden. Durch Ketten ist sie relativ gesichert, da der Hang steil abfällt sollte man seine Höhenangst im Griff haben.
Der Puls geht wieder in Richtung normal, und der weitere Weg bietet auch nichts Aufregendes, es sei denn man bemüht sich den Steilhang hoch, um die dort vorhandene imposante Pinge zu bestaunen. Nachdem die Vereinigung mit dem Pfad, der von der Burgruine zur zerstörten Toellebrücke führt erfolgt ist, sind wir nach einem kurzen Anstieg auf dem Gelände der Burg Wildenfels.
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Bild 9 Zisterne um 1955 |
Bild 10
Walenzeichen
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Anhang:
In Christian Gottlieb Lehmanns Buch „Nachrichten von Wahlen“ wird auch Hartenstein erwähnt:
Beim Hartenstein hin, diesseits Lößnitz gegen dem Schloss über,
da ist ein Grund, heißt der Tieftal bei der Rehstellung, da bricht Zinnober
in einem grünen Schiefer, und ein würfeliger Markasit.
Der Schiefer hält Quecksilber, und unten im tiefen Tal findet man im Flüßlein Goldkörner.
Am gegenüberliegenden Ufer der Mulde sind wir am Weg, auch auf ein Walenzeichen gestoßen.
Weiterführende Informationen: Walen oder Venediger:
https://de.wikipedia.org/wiki/Walen
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Wildbach, Februar 2023
Jürgen Hüller |
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