Neues zur Organisation Todt
„Die Organisation Todt OT war ein paramilitärischer Bautrupp im Dritten Reich. Benannt wurde dieser 1938 gegründete Bautrupp nach ihrem Führer Fritz Todt. Anfangs wurde die OT für kriegswichtige Bau-maßnahmen wie Westwall, Atlantikwall, U-Bootstützpunkte, Abschussrampen für Raketen eingesetzt. Ab 1943 wurden vorrangig Luftschutzbunker errichtet. Die Untertageverlagerung von Industrieanlagen und Wertgegenstände, sowie Kunstobjekte wurden zur Hauptaufgabe. Bei diesen Bauarbeiten wurden auch Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge eingesetzt“.

Es ist schon viele Jahre her, als ich die den Wildbach querende Leitung das erste mal zu sehen bekam. (Bild 1) Damals hatte ich mich noch nicht für die Geheimnisse des Poppenwaldes und seiner Umgebung interessiert. Nachdem ich aber alle großen Anlagen im Poppenwald gefunden und auch dokumentiert habe, kann ich mich bei Rundgängen im Wald neben Flora und Fauna auch mit Nebensächlichkeiten befassen, die man eventuell mit den Tätigkeiten im Poppenwald in Verbindung bringen kann. Die gemachte Erfahrung lehrt aber, dass nicht alle Sachverhalte so sind wie man sie gerne hätte. Es ist schon merkwürdig ein solches Rohr in diesem Erhaltungszustand mit einem massiven Kunststoffschutzrohr vorzufinden. Das Schutzrohr ist mittlerweile in zwei Hälften gebrochen. Es gibt keinen Grund daran zu zweifeln,

 
1 Trinkwasserleitung quert den Wildbach

dass es eine Wasserleitung ist. Da der Wildbach in ausreichender Menge Brauchwasser anbietet, kann es nur eine Trinkwasserleitung sein.

Wer benötigte in diesem Bereich das Wasser? Für die Bewässerung der beiden Gärten oder der Schulwiese braucht man es eher nicht. Die Schulwiese war zumindest nach dem Krieg in kleine Parzellen aufgeteilt, die von Kaninchenzüchtern bewirtschaftet wurden. Zum bewässern ihrer Wiesen hatten sie ungefähr unterhalb der jetzigen Kläranlage, das Wasser des Wildbachs abgeleitet. Der Graben verlief an der Hangseite, des damals recht schmalen Weges. Dort wo die Leitung auf Wildbacher Gebiet trifft gab es einen Gemüsegarten, auch dafür wurde kein Trinkwasser benötigt. Per Zufall kam mir eine Karte in die Hände, die unter vielen exakt eingetragenen Stromleitungen, Telefonleitungen und Wasserleitungen auch einen dünnen blauen Faden zeigt, der vom Jagdhütten-weg/ Ecke Hansenwiese kommend, genau an der besagten Stelle endet. Zuerst musste ich die Stelle herausfinden von der das Wasser kommt. Um der Sache auf den Grund zu gehen war es notwendig den gesamten Verlauf der Wasserleitung zu erkunden. Da Wünschelruten schon seit vielen Jahrhunderten der Wassersuche dienen, kamen sie auch bei mir zum Einsatz. Die Leitungsführung konnte exakt, entsprechend der Karte, festgestellt werden.

2 Grenzstein zwischen Schulwiese und Poppenwald
 

Wie verläuft nun die Wasserleitung weiter, wenn auf der Flur der Schulwiese kein Bedarf an Trinkwasser vor-handen war. Eigentlich ist es nicht so schwer. Meine Annahme ist, das Wasser wird in der Baracke der OT benötigt. Diese Annahme wurde durch die Suche entlang des Wildbachs bestätigt.(Bild 2), Rechts am Grenzstein vorbei, der belegt das ein kleiner Teil der Schulwiese zum Poppenwald gehört, quert sie einige Meter weiter wieder den Wildbach und kommt in den Poppenwald zurück. Von hier kann man den weiteren Weg bis zum Standort der Baracke verfolgen.

Zur Infrastruktur gehören aber auch eine Telefonver-bindung, hier kamen Feldtelefone zum Einsatz, und Elektroenergie.

Geblieben ist die offene Frage der Stromversorgung.
Auf dem Weg zur Burgruine habe ich die Anzeige „hier verläuft ein Kabel“ erhalten. Mit diesem Festpunkt ist es nun relativ leicht, die Kabelführung zu verfolgen. Das Kabel verläuft einerseits durch das Schulholz und dann im Abstand von 20 bis 30 Meter zu den Gärten, geradewegs bis zur Friedhofsmauer. Dieser Verlauf rechtfertigt die Annahme, dass der Strom von der Schule abge-nommen wurde. Andererseits verläuft das Kabel hangabwärts zum Wildbach.

Nach der Querung des Wildbaches endet es nach ca. 60 Meter im Poppenwald. Das Kabel endet genau dort wo auch die Wasserleitung endete nämlich am Standort der Baracke der Organisation Todt.


3 Der verschlossene Stolleneingang

 

Unweit des Kabels gab es noch eine andere Anzeige, eine Anomalie. Da diese Anomalie eine Breite von 2,50 bis 3,00 Meter hat kann ich nach meinen bisherigen Erfahrungen eine natürliche Anomalie und einen Altbergbaustollen ausschließen. Es konnte sich hier nur um einem Stollen handeln, der bis April 1945 aufgefahren wurde. Dieser vermutete Stollen musste untersucht werden. (Bild 3)

Der Stolleneingang befindet sich oberhalb der Wasserlinie des Wildbachs. Der Abraum wurde nicht gegenüber des Stolleneingangs abgelagert, wie es aus bergbaulicher Sicht üblich wäre. Er wurde oberhalb gelagert um gleichzeitig einen Schutz vor einer höheren Wasserführung des Baches zu haben. Natursteinstufen diente zur Überwindung der leichten Böschung am Bachufer. Mit einer Länge von ca. 20 Meter ist er im Vergleich zu den meisten Stollen im Poppenwald relativ kurz. (Bild 4 und 5).
Meine Nachforschungen ergaben, dass dieser Stollen von April 1943 bis Juli 1943 aufgefahren wurde. Er wurde ausschließlich für die Nutzung durch die Organi-sation Todt errichtet. Die Fertigstellung des Stollens und die Errichtung der 6 m x 12 m großen Baracke waren eine der Voraussetzungen für eine gut organisierte Arbeit an den vielen Baustellen.


4 Natursteinstufen

 
5 Natursteinstufen

6 Standort Baracke und Zelte - Luftbild
 

Zu Spitzenzeiten arbeiteten im Poppenwald rund 80 Personen. Die Zwangsarbeiter und die Kriegsgefangenen waren in einer Baracke auf dem Gelände der Poppenwald-Holzschleiferei untergebracht. Sie wurden täglich zur Arbeit geführt. Die Männer der OT schliefen in Zelten und in den Wintermonaten auf Pritschen im Stollen an der Schulwiese. In der Baracke gab es keine Schlafstellen. Hier befand sich das Arbeitszimmer des Haupttruppführers. Die Sanitäranlagen wie Waschraum und vielleicht Toiletten. Es wäre auch möglich, dass ein Turnerbalken genutzt werden musste. Eine kleine Küche war vorhanden, die gemeinsam mit einer Gulaschkanone die Versorgung sicherstellte. Die größte Fläche der

Baracke nahm der Aufenthaltsraum ein, der gleichzeitig Speiseraum war. Neben der Baracke waren zwei Stellplätze für die Kraftfahrzeuge angelegt. (Bild 6)

Der Stollen war Lager für sämtlich benötigte Gerätschaften. Auch Kompressoren, Bohrgestänge und Press-lufthämmer waren eingelagert. Ein Vorrat an Nahrungsmittel war hier auch zu finden. An dieser Stelle muss ich einen interessanten Beitrag einfügen, der belegt, dass schwere Technik im Poppenwald eingesetzt wurde.


7 Standort der LKW ehemalige Holzschleiferei Poppenwald
 

KUR – Zeitung für das Schlematal und Wildbach
Die letzten Kriegstage in Niederschlema

Dr. Oliver Titzmann gibt uns hier ein Chronologie der Ereignisse.
„Mitte April: Auf dem Gelände der Holzschleiferei Poppenwald, direkt an der Straßenbrücke über die Mulde gelegen, stehen für einige Tage etwa fünf LKW mit Anhänger, Kompressoren und Bohrgestänge einer Pioniereinheit der Wehrmacht“.  

Das scheint die Aussage eines Zeitzeugen zu sein, die im Detail von meinen Erkenntnissen etwas abweicht.

Richtig ist das an der Poppenwald-Holzschleiferei ein „Sammelstelle“ für die Technik war. Ob auch Gerätschaften aus den Arbeiten im Hartensteiner Forst dazu kamen ist mir nicht bekannt. In der Tat waren es nur drei LKW. Die LKW kann man auch nicht einer Pioniereinheit der Wehrmacht zuordnen. Es waren LKW, die von der Organisation Todt bereitgestellt wurden. Reine Pioniereinheiten gab es in den letzten Kriegswochen nicht mehr. Alle verfügbaren Kräfte aus den verschiedenen Waffengattungen wurden den Kampfeinheiten zugeführt.(Bild 7).

Zurück zur Trinkwasserleitung. Wie in Deutschland heute noch üblich, musste für die geplante Verlegung der Trinkwasserleitung ein Antrag gestellt werden und vom Eigentümer eine Genehmigung erteilt werden. Warum auch immer, der Antrag wurde von der NSDAP-Kreisleitung Aue im Februar 1943 an die Domgemeinde Zwickau gestellt. Im April wurde die Leitung verlegt. Mit dem Stromkabel verhielt es sich ähnlich. Hier wurde der Antrag an die Kirche bzw. Gemeinde Wildbach gestellt.

Das Beispiel der Trinkwasserleitung zeigt uns, dass es auch im Poppenwald für bestimmte Arbeiten einer Genehmigung bedurfte. Wer musste nun aber bei der Aufwältigung eines Stollen sein Ok geben und wie lief dieser Vorgang ab. Für die mehr als 15 Stollen gab es zwei verschiedene Wege. Für die drei wichtigsten Stollen stellte die NSDAP – Kreisleitung Aue die erforderlichen Anträge an die Domgemeinde Zwickau. Das Oberbergamt Freiberg wurde nicht befragt, weil es nicht zuständig war. Jede spätere Anfrage zu bergbaulicher Tätigkeit konnte somit nicht positiv beantwortet werden. Bei den erwähnten drei Stollen handelte es sich um:

  • B I: Das ist der sogenannte Powensbunker
  • B II: Der Bunker am Steilhang der Mulde
  • B III Der Bunker unterhalb des Bismarcksteins

So waren die Stollen, entsprechend ihres Baubeginns in der NSDAP – Kreisleitung registriert.

Die Arbeiten an den übrigen Stollen wurden über dem kurzen Dienstweg zwischen der OT und der NSDAP – Kreisleitung Aue abgesprochen und von dieser als Auftrag erteilt.

Ich bin fest davon überzeugt, dass man im Archiv der Domgemeinde Zwickau die Dokumente zu den benannten Vorgängen finden kann.

Wildbach, Oktober 2021
Jürgen Hüller