Die Burgruine bei Wildbach - ihre verschiedenen Namen
im Wandel der Geschichte
„Die Zeiten der Vergangenheit sind uns ein Buch mit sieben Siegeln“

Johann Wolfgang von Goethe

Dieses Zitat verdeutlicht das Dilemma, in dem die Akademiker und Laienforscher stecken, wenn sie die Geschichte ihres Landes, ihrer Region oder auch nur des Heimatortes erhellen wollen.

In alten Karten und Texten kann man die verschiedensten Namen unserer Burgruine erfahren. Von Chronisten wurde mehrheitlich die Bezeichnung Eisenburg und später der abgeleitete Name Isenburg benutzt. Aber auch Altes Schloss, Raubburg und Raubschloss waren für die Burgruine im Gebrauch. Die letztgenannten Bezeichnungen wurden hauptsächlich von den hier ansässigen Bewohnern genutzt. Der Ursprung dieser Namen resultiert im Wesentlichen aus der Zeit, als unsere Burgruine noch in ihrem Gebäudezustand gut erhalten war. Damals wurden die Gemäuer von Vagabunden, Wegelagerern und sonstigen dunklen Gestalten als Unterkunft genutzt. In meinem Aufsatz zum „Sanften Heinrich“ kann man einige Zusammenhänge nachlesen und erkennen.

 


Ruine der Isenburg

Auch der am Hang der Mulde verlaufende Steig war kein Rittersteig und erst recht kein Raubrittersteig. Die durchgängige Begehbarkeit des Steiges war erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts möglich.

Sämtliche Aussagen, die die Burg zum Sitz von Raubrittern machen sind falsch. Sie war bis zu ihrer Auflassung vom Geschlecht derer von Meineweh bewohnt. Dudo von Meineweh und auch seine Nachkommen waren getreue Lehnsmänner der Markgrafen. Wichtig waren auch die landsmannschaftlichen Beziehungen zu den Meinheringern, die Burggrafen von Meißen.

Mit Dudo von Meineweh beginnen wir auch die Suche nach dem Primärnamen bzw. dem ursprünglichen Namen unserer Burg. In meinem Aufsatz „Die Isenburg und Dudo von Meineweh“ habe ich einige grundsätzliche Aussagen dazu getroffen.
Die Siedler, die die Gegend unseres Ortes für geeignet hielten, haben den Bach mit seinen wilden Eigenschaften und das reichlich vorhandene Wild zum Namensgeber ihres Wohnortes gemacht. Wann die Entscheidung fiel, dass der Ort Wildbach zur Heimat der Siedler wurde, ist nur zu vermuten. Ich gehe davon aus, dass um 1140 angenommen werden darf. Damals brauchten die Siedler in den ersten 10 Jahren keine Abgabe zu leisten und waren auch von sonstigen Frondiensten befreit. Dieser zeitliche Ablauf passt gut zum Baubeginn unserer Burg. Nach diesen erwähnten 10 Jahren konnten die Bauern zu ihren Frondiensten gerufen werden. In den Jahren bis 1155 wurde dann die Burg errichtet. Der Standort der Burg ist gut gewählt. Eine Höhenburg auf einem Bergsporn mit Steilhängen zur Mulde und zum Wildbach, eine Altstraße im Blickfeld, die unweit die Mulde querte, dazu ausreichend Fische und Wasser, was braucht es für den Anfang mehr.

Sitzgruppen am Pfarrfelsen
 

Was aber fehlte und noch gebraucht wurde, war ein wirksamer und aussagefähiger Name, ein Trutzname! Zur Namensfindung können viele Faktoren beitragen. Die wichtigsten und am meisten benutzten Namen werden von Landschaften und Landmarken entlehnt. Der Ortsname Wildbach ist ein Beleg dafür. Er trug auch zur Namensfindung der Burg bei. Der Fels des Bergsporns, die hohen Tannen und Eichen und nicht zuletzt das wilde Rauschen und Brausen der Mulde bei erhöhter Wasserführung gebaren den Burgnamen:
                        WILDENFELS
Diese Burg war nun Lebensmittelpunkt der Meineweher. Von dieser imposanten Burg aus nahmen sie ihre herrschaftlichen Aufgaben und Pflichten wahr. Zur Herrschaft gehörten die Siedlungen Wildbach, Langenbach, Weißbach, Grießbach, Lindenau, Scheibe und Opritz.

Diese sieben Ortschaften reichten im Normalfall für die Versorgung und Ernährung der Burg aus. Während in der Burg das Leben ihrer Bewohner einen ganz normalen Verlauf nahm, wurde im Herrschaftsgebiet eine Mühle an zentraler Stelle errichtet. Es gab auch eine Richtstätte, die von vielen Seiten gut einsehbar war und Durchziehenden zur Abschreckung diente. In Verbindung mit der Nachbarherrschaft entstand dann noch das Kloster der Augustiner Chorherren, das im Wesentlichen zum Seelenheil der Siedler beitragen sollte.

Der Burgherr Dudo von Meineweh hatte mit seiner Gattin mindestens zwei Kinder, die das Erwachsenenalter erreicht haben. Dudo kam wohlbehalten vom 3. Kreuzzug zurück.

Er brachte Erkenntnisse von der im Orient hoch entwickelten Schmelz-und Schmiedetechnik mit nach Hause. Die Qualität der mit dieser Technologie gefertigten Waffen war unübertroffen. Ihren Ruf kann man mit gutem Gewissen als legendär bezeichnen. Der Handel mit benachbarten Herrschaften brachte reichlich Gewinn. Als Beispiel kann man hier Schwarzenberg anführen; auf dem Gelände der Burg Schwarzenberg wurden bei Grabungen Pfeil-und Speerspitzen gefunden, die die Qualität der Wildenfelser Waffen hatten.

Der Bergbau auf Eisenerz kam in Gange. Das Erz wurde sowohl Übertage, z. B. am Pfarrfelsen , als auch Untertage abgebaut. Untertage wurde Eisenerz vom Ufer der Mulde aus abgebaut. Der heute noch gebräuchliche Flurnamen „Stollen“ weist darauf hin. Hier hatten auch Prinz Ernst und die sogenannten „Prinzenräuber“ ihr Versteck. Am rechten Ufer des Wildbaches unterhalb der Burg findet man noch Stollen aus der Zeit des Altbergbaus.


Pinge

An der Südwestecke der Burg befindet sich eine große Pinge . Von dieser Pinge aus kann man eine Anomalie feststellen, die erst kurz vor dem Vogelherd endet. Das Vorhandensein der Pinge erlaubt die Schlussfolgerung, dass es ein Altbergbaustollen aus der Zeit der Meineweher ist.

Wenden wir uns nun den damals handelten Personen zu und versuchen sie in die historischen Abläufe einzubinden. Wie schon erwähnt hatte Dudo zwei erwachsene Kinder. Die Tochter hieß Jutta. Diese Jutta begegnet uns in einem Beitrag des Volkmar Geupel: "Wildenfels - Ausgrabung auf einem alten Herrensitz"
„Wie die archäologischen Funde belegen, ist die Burg Wildenfels im ersten Viertel des 13. Jh. - um 1220 - entstanden. Das mit der Burg verbundene und sich nach ihr nennende Geschlecht begegnet uns erstmals mit der „edlen Frau Jutta von Wildenfels“ im Text dreier Urkunden von 1226.“


Agricola_Hammerwerk

Wer war diese Jutta? Woher kam die edle Frau Jutta von Wildenfels? Welchem Adelsgeschlecht entstammte sie? Wie schon so oft liegt das Gute und in diesem Falle auch Sinnvolle ganz in der Nähe.
„Jutta von Wildenfels“ stammte, wie es der Name richtigerweise belegt, von der schon zur damaligen Zeit fast 70-jährigen Herrschaft Wildenfels des Dudo von Meineweh. Sie war nicht die Namensgeberin des heutigen Wildenfels. Sie wurde die Ehefrau eines Sprosses der Meinheringer. Dieser war entsprechend der Erbfolge nicht berechtigt, seinen Vater Meinher II. zu beerben. Die Verbindung brachte wesentliche Vorteile für die beiden benachbarten Herrschaften. Das Paar muss im politischen Kalkül eine wichtige Rolle gespielt haben. Wurde doch für sie oder durch sie auf dem Gebiet des heutigen Schloss Wildenfels ein Herrschaftssitz errichtet.

Den Namen dieser Burg finden wir unter „Sächsische Biografie Meinher von Werben“ Quelle: https://saebi.isgv.de/

„Meinher kommt daher als wahrscheinlicher Erbauer der Burg Hartenstein und als vom deutschen Königtum beauftragter Kolonisator der gleichnamigen Grafschaft in Frage, zu der damals [später] auch noch „Wildenstein“ gehörte.“ Dieser Burgnamen ist eine elegante Kombination von „Wilden“ aus Wildenfels und „Stein“ aus Hartenstein. Daraus entstand der Primärname des heutigen Wildenfels:
                                                                   WILDENSTEIN
Wie lang der Namen Wildenstein existierte, kann nicht mit Sicherheit ermittelt werden.

Nun dürfen wir uns wieder dem Leben auf der Burg Wildenfels widmen. Das urbar gemachte Land erbrachte höhere Erträge, der Bergbau ging voran und am Fuß der Burg waren die Voraussetzungen für die Verhüttung des Eisenerzes geschaffen. Um 1224 verstarb Dudo von Meineweh. Er wurde auf dem Gelände seiner Burg Wildenfels bestattet.

Das Wasser des Wildbachs trieb ein Pochwerk an. Nach dem Pochwerk war noch eine Scheidebank oder ein Scheidetisch im Gebrauch. Sie waren zum Aussortieren von erzhaltigem und totem Gestein erforderlich. Anschließend lassen sich ein oder mehrere Schmelzöfen vermuten. Geschmiedet wurde innerhalb des Burghofes. Dorthin wurden die beim Schmelzen entstandenen Luppen gebracht. Eine Luppe ist ein Zwischenprodukt bei der Eisenverhüttung, das noch bearbeitet werden muss. Es fiel aber auch eine erhebliche Menge an eisenhaltiger Schlacke an. Die Reste dieser Schlacke kann man mit entsprechender Technik auch heute noch an den Ufern des Wildbachs und am Hang der Burg finden.

 
Die zum Schmelzen benötigt Holzkohle kam von der Verwandtschaft aus „Hartenstein“. Messtischblätter und Meilenblätter von Sachsen weisen mit Flurnamen wie Kohlungsbach und Kohlberg darauf hin. Eine Karte um 1995 enthält Eintragungen, deren Urheber schwer festzustellen sind. Vermuten kann man, dass diese Eintragungen bzw. Markierungen von einer staatlichen Einrichtung vorgenommen wurden. Für mich käme hier nur das Landesamt für Archäologie in Betracht. Selbst für einen gut informierten Heimatforscher ist der Umfang dieser Arbeit schwer möglich. Die wichtigste Eintragung „Siedlung aus dem Mittelalter“ lässt einen Staunen. Warum hat man noch nie von dieser Siedlung gehört? Es ist aber gut vorstellbar, dass hier Köhler lebten, die auch für die Burg Wildenfels Holzkohle herstellten.

Kohlungsbach
 

Das Leben auf der Burg ging viele Jahre ohne Beeinträchtigung dahin. Man musste sich mit keiner anderen Macht befehden. Die Burg wurde nicht angegriffen, dazu trug auch das Bündnis mit den Meinheringern bei.
Doch es zogen langsam aber sicher dunkle Wolken herauf. Heute würde man vom Beginn einer globalen Klimakrise sprechen. Das Wetter wurde immer instabiler und die Ernteausfälle wurden häufiger.

Der folgende Auszug aus Wikipedia bringt die damalige Situation in Kurzfassung auf den Punkt.
„Die Hungersnot von 1315–1317, vereinzelt auch als „Der große Hunger“ bezeichnet, war eine Hungersnot in weiten Teilen Europas. Sintflutartige Regenfälle vernichteten die Ernten in den Jahren 1315 bis 1317. Lange Winter und Überschwemmungen verschärften die Ernährungslage. Hungersnöte und Tierseuchen traten noch bis 1322 auf. Betroffen waren unter anderem Deutschland , Frankreich , die Niederlande , die Britischen Inseln , Skandinavien , Osteuropa , Spanien und in geringerem Maße Norditalien . Die Preise für Getreide stiegen enorm, die Menschen ernährten sich von ungesunden Ersatzstoffen oder sogar von verseuchten Tieren. Mehrere Millionen Menschen starben. An vielen Orten mussten die Kirchhöfe erweitert werden, ganze Dörfer starben aus und wurden zu Wüstungen .“ Die oben beschriebenen Ereignisse und Zustände machten auch vor der Herrschaft der Meineweher nicht halt. Die zur Herrschaft gehörende Siedlung Opritz wurde um 1323 Wüstung. Hier muss ich einfügen, dass Opritz nicht dort zu finden ist, wo es in den aktuellen Karten steht.

Selbst die Bewohner der Burg Wildenfels wurden durch Hunger und Seuchen stark reduziert. Die letzten Insassen der Burg zogen mit Pilgern aus Würzburg um 1323 gen Westen. Von hier ab begann das große Vergessen.

Die kleine Eiszeit begleitete die Bewohner mit kühlem und feuchtem Wetter bis ins 19. Jahrhundert. In dieser Zeit gab es viel Wichtigeres zu tun, als dass man sich für den Burgnamen und dessen Fortbestand interessierte. Obwohl die Gemäuer der Burg vollständig erhalten waren, gilt auch hier „Aus den Augen, aus den Sinn“. Nach zwei bis drei Generationen setzt allgemein das totale Vergessen ein. Ausnahmen bilden gravierende Ereignisse, diese gab es in Bezug auf unsere Burg nicht.

Wer hat nun den Namen:
                                                                   EISENBURG
aus der Taufe gehoben?
Es könnte eventuell die Schönburger Herrschaft auf Hartenstein gewesen sein. Denen wurden 1406 die Ortschaften Wildbach und Langenbach zugeschlagen. Fraglich bleibt, ob sie sich mit dem Namen der im neuen Territorium befindlichen Burg befassten.

Mein Favorit ist Martin Römer, ein Zwickauer Kaufmann und Amtshauptmann. Er war auch sächsischer Berghauptmann auf dem Schneeberg. Auch auf dem Hohen Forst hat er erfolgreich gewirkt. Der Kauf des Poppenwald brachte ihn in die Nähe unserer Burg. Für Römer war es ein leichtes festzustellen, dass hier Bergbau auf Eisen zu Gange war. Die Wahrscheinlichkeit, dass noch Relikte der Verhüttung des Eisenerzes vorhanden waren, sollte nicht ausgeschlossen werden. Ebenso die Pfeil-und Speerspitzen, die noch nach über 200 Jahren reichlich gefunden wurden.

 
Martin Römer und seine im Poppenwald tätigen Bergknappen und Holzfäller gaben der Burg den neuen Namen
                                                                                EISENBURG
Sie trugen auch zur Verbreitung des Namens bei.
Von Eisenburg zu Isenburg gibt es einen nahtlosen Übergang. Isen ist das niederdeutsche Wort für Eisen. Wann und warum Eisenburg in Isenburg umgewandelt wurde, konnte ich nicht hinreichend klären.
Der Lößnitzer Chronist Magister Gotthelf Friedrich Oesfeld gibt uns in seinem Buch „Historische Beschreibung einiger merkwürdigen [merkwürdig steht hier für bemerkenswert] Städte im Erzgebürge“ einen Anhaltspunkt. Die beiden Teile der Schrift wurden 1776/77 herausgegeben. Im Text findet man nur die Eisenburg. Aus diesem Grund kann angenommen werden: Um 1800 wurde die Eisenburg zur
                                                                                ISENBURG.

Wildbach, Februar 2024
Jürgen Hüller