Ein Bach mit vier Namen

 

Der Bach, um den es sich handelt, hat sein Quellgebiet auf Wildbacher Flur. Er bildet im Wesentlichen die natürliche Gemarkungsgrenze zwischen Bad Schlema und dem zu Bad Schlema gehörenden Ortsteil Wildbach sowie dem Gutsbezirk Poppenwald.

Viele Jahre konnte unser Bach sein klares Wasser der Mulde übergeben. Doch es kam die Zeit, da nahm der Bergbau den Bach und sein Tal in Besitz. Ein Damm wurde geschüttet und versperrte seinen gewohnten Weg. Grubenwasser und andere Abwässer vermischten sich mit seinem klaren Wasser und er konnte sich nicht dagegen wehren, dass der entstandene Teich als "Schlammteich" bezeichnet wurde. In seinem Tal wurde ein Pferdestall errichtet, in dem die für den Bergbau benötigten Pferde standen. Ein Stollen wurde aufgefahren und Schurfe getäuft. Weil aber die Erkundungen nicht das erhoffte Ergebnis brachten, wurde es im Tal wieder etwas ruhiger, nur die Halden rückten unserem Bach bedrohlich nahe.

Der "Schlammteich" entwickelte sich durch die warmen Grubenwässer im Laufe der Jahre zu einer Oase für Flora und Fauna. Heute sind der Bach und sein Tal wieder saniert und renaturiert. Obwohl der ursprüngliche Zustand nicht wieder hergestellt werden konnte, kann sich jeder Wanderer an diesem Tal in seinem jetzigen Zustand erfreuen.

Einheimische werden sofort erkannt haben, dass unser Borbach gemeint ist. Heute wird dieser Bach durchweg als Borbach bezeichnet. Noch vor nicht allzu langer Zeit wurden noch andere Namen, sowohl in amtlichen Dokumenten, als auch umgangssprachlich benutzt. Ehe ich auf die anderen Namen eingehe, wollen wir uns erst einmal mit unserem Borbach befassen. Versucht man die Herkunft des Namens zu erkunden, so könnte man vermuten, dass das Element Bor, ein Nichtmetall, Pate für diesen Namen stand. Die geologische Situation im Borbachtal schließt diese Annahme aber aus.

Auf der Suche nach einer stichhaltigen Begründung des Namens wurde ich im Nachschlagewerk "Der Sprachbrockhaus. Deutsches Bilderlexikon für jedermann" aus dem Brockhaus-Verlag Leipzig, Ausgabe 1944 fündig. Unter Bor findet man: "das Bor - chemischer Grundstoff" und "der Bor - mundartlich Bär". Also hat unser Bach von den einst in unserer Gegend lebenden Bären seinen Namen erhalten. Für mich ist das eine einleuchtende Begründung. Warum ist diese Begründung einleuchtend? In unmittelbarer Nähe des Baches gab es ein kleines Mundloch, welches als Bärenhöhle bezeichnet wurde. Es befand sich ungefähr gegenüber dem nicht mehr vorhandenen Holzpavillion an der Talstraße. An der Bärenhöhle führte ein Hangweg vorbei, der als "Bärenbrumweg" bezeichnet wurde. Durch die Erbauung der Schutzmauer an der Talstraße ist sowohl die Bärenhöhle als auch der Weg in diesem Bereich nicht mehr zu erkennen. In Richtung "Alte Wildbacher Straße" kann man speziell in den Wintermonaten diesen Weg noch gut erkennen.
Ein weiteres wichtiges Indiz, dass unser Bach seinen Namen den hier lebenden Bären zu verdanken hat, ist die Mulde. Die fischreiche Mulde war für die Bären eine wichtige Nahrungsquelle.

Machen wir an dieser Stelle einen kurzen Abstecher zur Mulde. Uns ist die Mulde nur als "Zwickauer Mulde" bekannt. Doch auch die Mulde hatte in früheren Jahren eine andere Bezeichnung, sie wurde nach der Bergstadt Schneeberg "Schneeberger Mulde" genannt.
Nachlesen kann man dies in "Neueste Länder- und Völkerkunde. Ein geographisches Lesebuch für alle Stände" aus dem Jahre 1819. Ebenfalls finden kann man die "Schneeberger Mulde" bei Christian Meltzers "Schneebergische Stadt- und Berg-Chronic" auf Seite 29. Wer sich mit dem Namen Mulde näher befassen will, findet in "Schönburgische Geschichtsblätter", Ausgabe Oktober 1898 einen interessanten Beitrag.

Kommen wir nun zum zweiten Namen unseres Baches. Dieser Name wurde vom Jagdkollektiv des VEB Vereinigte Papier- und Kartonfabrik Niederschlema ins Gespräch gebracht. In allen Artikeln, die vom oder über das Jagdkollektiv veröffentlicht wurden, war die Schreibweise "Purbach". Als Beispiele sollen die Errichtung einer Jagdhütte und das Auswildern von Fasanen im "Purbachtal" angeführt werden. Diese Schreibweise war also nur in einem kleineren Kreis üblich und im Sprachgebrauch ist in unserer Gegend zwischen Bor und Pur sowieso kein großer Unterschied herauszuhören. Der "Purbach" hätte in Anbetracht seines klaren und reinen Wassers auch in dieser Schreibweise seine Berechtigung.

Der Tätigkeit der Wismut im Borbachtal verdankt unser Bach seinen dritten Namen. In Kartenwerken und bergbaulichen Dokumenten finden wir die Bezeichnung "Bohrbach" bzw. "Bohrbachtal". Als Beispiel soll das Erkundungsobjekt "Oberes Bohrbachtal" dienen. Hier wurde u. a. von Juni1949 bis August 1950 der Stollen Nr.1 aufgefahren und die Schurfe 8 und 31 getäuft. Auch diesem "Bohrbach" kann eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden, hat er doch mit seinem Wasser ein tiefes Tal zwischen Poppenwald und Schafberg "gebohrt".

Kann bei den bisher beschriebenen Namen in der Umgangssprache kein wesentlicher Unterschied festgestellt werden, so weicht unser vierter Namen doch enorm ab. Im Jahre 1855 wurde von der Königlichen Forstvermessung der Poppenwald vermessen. Die entstandene Karte, auch als Mensel-Blatt bekannt, weist unseren Bach als "Burgbach" aus. Setzt man voraus, dass Vermesser nicht leichtfertig mit Namen und Messdaten umgehen, so gibt uns dieser Name ein Rätsel auf. Wo kann man in der Nähe unseres Baches eine Burg oder eine Wallanlage vermuten?

Neben den festen Burgen wie der Isenburg oder der Burg Stein gibt es in unserer Umgebung eine Anzahl von Wallanlagen, die als Erd- oder Turmhügelburgen einzuordnen sind. So gibt es solche Anlagen gegenüber der Burg Stein, in Thierfeld, in Grünau und nur ungefähr 1 km von unserem Bach entfernt im Poppenwald. Diese Anlagen hatten aber sicher nichts mit unserem Bach zu tun.
Somit bleibt uns weiter nichts übrig, als über mögliche Standorte zu spekulieren. Ein Standort hätte der Schafberg sein können, ein anderer der Bergsporn oberhalb der Schutzmauer. Eine dritte Möglichkeit wäre im Zusammenhang mit der frühen Besiedlung zu sehen und wir finden unsere Burg in der Nähe der "Friedrichsgrün" genannten Örtlichkeit. Mancher Schlemaer müsste noch wissen, dass in diesem Gebiet auch der Begriff "Burg" vorhanden war. Der Name "Burgbach" bleibt also im Nebel. Geblieben ist unser Borbach, der im neuen Bett zur Mulde fließt.

Jürgen Hüller im Auftrag des Heimatverein Wildbach e. V.